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Auch die jüdischen Geschäfte machten Weinheim zur Einkaufsstadt

Anlässlich des heutigen Gedenktages: Eine Erinnerung an jüdische Kaufleute und die antijüdischen Aktionen im Vorfeld der Novemberpogrome

Der morgige Freitag, der 10. November, ist nicht nur der Tag des Erinnerns daran, dass vor 62 Jahren die Weinheimer Synagoge von der Sprengkraft von 25 Kilogramm Gelatine-Donarit zerstört wurde. Dieser Tag markiert auch das Ende der einst blühenden jüdischen Gemeinde Weinheim. Denn nach der Explosion in dem 1906 geweihten Gotteshaus an der Bürgermeister-Ehret-Straße und nach den Ausschreitungen in der Innenstadt gegen jüdische Geschäfte und Wohnungen war nichts mehr wie zuvor.

Die Ereignisse um den 10. November 1938, der wie der 22. Oktober 1940 mit der Deportation der letzten Weinheimer Juden nach Gurs als Tag der Schande in die Stadtgeschichte eingegangen ist, sind wiederholt dargestellt worden, zuletzt in der jüngsten Ausgabe des Weinheimer Geschichtsblatts, die dem Zeitraum zwischen 1933 und 1945 gewidmet ist. In den Worten, die heute bei den Gedenkveranstaltungen am Mahnmal für die Opfer von Gewalt, Krieg und Vertreibung im Stadtgarten und an der Gedenktafel im Hof des VHS-Gebäudes gesprochen werden, wird das Geschehen vom 10. November 1938 wieder im Mittelpunkt stehen.

Beiträge zur Einkaufsstadt

62 Jahre nach dem Novemberpogrom, das nach Ansicht von Max Hirsch auch in Weinheim "bis auf die kleinste Einzelheit vorbereitet und durchorganisiert war", sollte auch einmal daran erinnert werden, welchen Anteil die jüdischen Geschäfte an der Anziehungskraft Weinheims als regionales Einkaufszentrum hatten. Wenn heute von der guten, alten Zeit erzählt wird, als es für die Kinder aus den Bergstraßenorten und aus den Odenwaldtälern das größte Jahresereignis war, mit den Eltern zum Weihnachtseinkauf nach Weinheim zu fahren, dann darf man durchaus anfügen, dass es die Einkaufsstadt Weinheim ohne die jüdischen Geschäfte an der Hauptstraße nicht gegeben hätte. Nach einer Modenschau im Kaufhaus Bergen schrieben die Weinheimer Nachrichten 1927: "Weinheim wird Großstadt! Was man sonst nur in Frankfurt, Mannheim oder Karlsruhe zu sehen bekam, bot man nun auch hier in Weinheim".

Im Vereinsleben verankert

Wer die alten Zeitungsbestände des Weinheimer Anzeiger und der Weinheimer Nachrichten durchblättert, entdeckt die jüdischen Kaufhäuser und Einzelhandelsgeschäfte als die besten Anzeigenkunden und als finanzkräftige Stützen der Werbeaktionen des Weinheimer Einzelhandels. Das überrascht nicht, weil die meisten jüdischen Geschäftsinhaber im Weinheimer Vereinsleben verankert waren und ohne ihre Unterstützung damals manches nicht möglich gewesen wäre. Adolf Braun, Hugo Rothschild und Jakob Blach hielten es für selbstverständlich, im Interesse Weinheims im Vorstand der Ortsgruppe des Badischen Einzelhandelsverbandes mitzuarbeiten, wie sich der Schuhmacher Samuel Simon, der Schneider Ferdinand Stiefel, der Polsterer Sigmund Brückmann und der Metzger Max Oppenheimer, Hermann Hirsch und Karl David in ihren Innungen engagierten (Daniel Horsch: "Sie waren unsere Bürger", Weinheimer Geschichtsblatt 26).

Antijüdische Aktionen

Daran wollte sich aber niemand mehr erinnern, als die SA 1937 ihre antijüdischen Aktionen verschärfte. Christina Modig berichtet in ihrem facettenreichen Beitrag "Die jüdischen Bürger Weinheims 1933 - 1945" zum neuen Weinheimer Geschichtsblatt auch über diese Aktionen und ihre Folgen für die jüdischen Kaufleute in Weinheim: "So wurde deren Sommerschlussverkauf im Juli 1937 von SA-Männern sabotiert, die sich vor den Eingängen der jüdischen Geschäfte postiert hatten und mit der Verteilung des 'Stürmer' (Streichers antisemitischer Hetzschrift zur Propagierung der nationalsozialistischen Judenverfolgung. Die Red.) den Kunden das Betreten eines jüdischen Geschäftes fast unmöglich machten". Am Friedrichseck, am Rodensteinerbrunnen, der damals noch auf dem heutigen Dürreplatz-Kreuzung stand, und in der heutigen Fußgängerzone waren Transparente gespannt, auf denen man lesen konnte: "Der Jude siegt mit der Lüge und stirbt mit der Wahrheit. Wer von den Juden frisst, geht daran zu Grunde. Ohne Brechung der Judenschaft keine Erlösung des deutschen Volkes. Wer bei Juden kauft, ist ein Volksverräter". An den Stadteingängen standen schon ein Jahr vor der Zerstörung der Synagoge Holztafeln mit der Aufschrift: "Juden sind hier unerwünscht".

Auch gegen arische Weinheimer

Das in Mannheim erscheinende 'Hakenkreuzbanner', nationalsozialistisches Kampfblatt für Nordbaden, rühmte sich bereits ab 1935 als die "Zeitung ohne Juden-Inserate". Gegen Weinheimer Bürger die sich trotz aller Propagangda für ihre jüdischen Mitbürger einsetzten, wurde harte vorgegangen: Ihre Namen und "Vergehen" wurden im NS-Schaukasten an der Bahnhofstraße ausgehängt. Die Schmiede Georg Lang und Heinrich Edelmann, die ihren Eisenbedarf bei einer jüdischen Firma gedeckt hatten, wurden 1937 auf Anordnung der Kreisleitung Mannheim der NSDAP für zwei Jahre von städtischen Aufträgen ausgeschlossen.

Zuletzt Zwangsarisierung

Den Novemberpogromen 1938 folgten Gesetze und Verordnungen zur Zwangsarisierung jüdischer Geschäfte. Davon waren die meisten jüdischen Kaufhäuser und Einzelhandelsgeschäfte betroffen, die seit Jahrzehnten einen wichtigen Beitrag zur Anziehungskraft der Weinheimer Innenstadt auf die Bevölkerung der gesamten Region geleistet hatten. Jetzt schrieb das 'Hakenkreuzbanner': "Wir weinen ihnen nicht nach und glauben den Zeitpunkt absehen zu können, an dem unsere Hauptstraße gänzlich judenfrei ist".

Als Badens Gauleiter Robert Wagner am Abend des 22. Oktober 1940 dem "Führer" voller Stolz nach Berlin meldete, der Gau Baden sei "judenfrei", war auch Weinheims Hauptstraße -und nicht nur sie- "judenfrei".

Heinz Keller, veröffentlicht in den Weinheimer Nachrichten vom 09.11.2000.

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