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Tilli Rapp, Ilot L, Bar 17 Camp de Gurs 22.5.42

Bleibt gesund, seid alle herzlichst

gegrüßt + geküsst von

Eurem Fritz + Papa

Meine Lieben Alle, liebe Margot!

Vorgestern traf bei l[ie]b[er] Papa Euer Rotkreuzschein vom 22.1.42 ein

worüber wir uns sehr freuten, denn wir waren schon sehr traurig, weil soviel

Post von dort hier ankam und für uns war nichts dabei. Tante Bella erhielt, wie sie

uns letzte Woche schrieb, Euren Dezemberbrief am 8.5. mit welchem sie sich sehr

freute. Mit ihr stehen wir in regelmäßigem Briefwechsel, die Pakete, welche sie

uns zukommen ließ, bedeuten eine wirklich große Hilfe, zumal man in der guten

Höhenluft an sich nicht über Mangel an Appetit klagen kann, der bei lb. Papa

durch seine tägliche Arbeit als Holzsäger und Hacker noch gesteigert ist. G[ott] s[ei] D[ank]

sind wir im großen Ganzen gesund, schon die bessere Witterung ist ein Glück nach dem

strengen Winter. Lb. Papa hat jeden II. Sonntag einen freien Nachmittag, aber wir sind

schon sehr dankbar, daß wir wenigstens jeden Abend für 1 ½ - 2 Stunden zusammen

sein können und zwar kommt lb Papa dann zu mir in’s Ilot. Der Weg ist ungefähr 3 x

so lang wie von unserem Hause zum Bahnhof und lb. Papa an sich müde, doch der Gedanke an unser

abendliches Zusammensein belebt uns den ganzen Tag. Nur zu schnell ist die Zeit ver-

plaudert, man hat sovieles und so viele Sorgen auf dem Herzen, doch durch das Geschnatter,

die Unruhe in d[er] Baraque kann man sich oft nicht konzentrieren überlegt doch mal

es sind doch 10 Frauen mehr als unsere große Tochter an Jahren zählt mit mir zusammen,

dazu kommen dann noch die Besuche. Na ja man will schon all das mit in Kauf nehmen,

würde man mal ein Ende absehen, hoffen dürfen, gesund durchzuhalten und einmal seine

Lieben wiederzusehen. Unser kleiner Spatz war 4 Wochen in Marseille, er sollte durch die

Quäker mit einem Kindertransport nach U.S.A. kommen, aber dort hat man ihn dann für

zu jung gefunden und er hätte alleine zurück in das Heim kommen sollen. Das wäre für ihn eine

große Enttäuschung gewesen, aber dann kam der Transport nicht zu Stande und er kehrte mit

den anderen Kindern zusammen wieder zurück. Dort im Chateau Chabannes – wie das Heim heißt -

hatte lb. Ernstele in der letzten Woche am 14.5., den Besuch von Tante Bella, Emmy, Curt, dem kl. [?].

Darüber hatten bis jetzt einen kurzen Bericht von Tante Bella zugleich mit Deinem Rotkreuzschein,

könnt Ihr verstehen, daß dies ein Freudentag für uns war [.....]. Nun warten auf das ausführliche

Schreiben, aber a[us] d[em] Br[ie]f ging hervor, daß sich lb. Bübchen G.s.D. gut erholt hat und es sei sehr

Gewachsen, verstand wohl was Tante Bella ihn frug, hat aber nur französ[isch] geantwortet und würde

nur franz[ösisch] sprechen. 24.5. In den letzten Briefen hat er seinen Namen schon mit kleinen latein[ischen]

Buchstaben unterschrieben. Gestern hatten wir einen Br[ie]f aus Casablanca von Dora Wiesel. Dies ist

eine Tochter von Tante Johanna, früher Dieburg, später Brüssel. Du lb. Recha weißt ja, das es eine Schwester

von u[n]s[erem] sel[igen] Vater war. Sie starb auf der Flucht im Mai 40 und wir hatten kurz vor unserer Reise nach

hier nochmals ein Lebenszeichen von ihren Kindern, worin sie uns den Tod miteilten. Von

Pau aus schrieb ich letztes Jahr mal nach Brüssel, dann sandten wir im Nov[ember] 41 von hier mal 1

Rotkreuzschein, der kam zurück und Toni schrieb, daß sie m[eine] Post erhalten habe, aber nicht schreiben

könnte und gab uns an, an ihre Schwester Dora nach Casablanca zu schreiben. Dies taten wir auch, es

kam ein so lieber herzlicher Br[ie]f wie ihn eine Schwester nicht inniger abfassen könnte. Daraus

erfuhren [wir], daß Dora alleine dies der Stadt, wo lb. Emmy zuletzt wohnte, geflohen war, ohne

zu wissen, wo ihr Mann steckt, von dem hörte sie erst nach 6 Monaten und nach einer

Trennung von 1 ½ Jahren, sind sie jetzt seit 7 Monaten wieder zusammen und seit kurzem auch in einem Camp. Sie will versuchen, uns etwas zu schicken, es ist aber, wie man

hörte, von dort nicht möglich. Vor 4 Wochen hat sie für sich und ihren Mann von ihrer

Schwiegermutter aus Tel-Aviv das Einreisevisum bekommen und schreibt sie, sie wünschte,

es wäre schon soweit, daß sie dorthin reisen könnte. Von Tante Nelli hatten auch Br[ie]f vom

9.4., sie schrieb, daß sie gesund seien, aber leider hatte Onkel Alfred wieder keinen Erfolg. Nelli sollte

am 1.5. als Sekretärin zu ihrem Haus-

Wirt kommen und würde wünschen, daß es klappt denn, sie hätte es doch leichter. Moses Hammerschlag

ist Ende März drüber gestorben. Daß lb. Albert und Mathilde seit Januar Großeltern sind, hörten,

auch wenn sie selbst uns zwar seit Nov[ember] 41 nicht schrieben, auch von den andern Lieben

haben keine Nachricht. Von Ernst Herzfeld erfuhren, daß Erna einen Jungen hätte. Ein Glück,

daß uns Ernst nicht im Stich ließ bis jetzt, aber nun ist lb. Papa beim Zahnarzt und wir [...]

um Geld an Ernst schreiben. Von Leo und Rosa Bach hatten auch Rotkreuzschein, dagegen

auf u[n]s[eren] an Jenny und Louis gesandten noch keine Antwort. Ihr wisst, daß ihr Sohn in einer Anstalt ist und sie ihn nicht besuchen können. Daß Josef May auch gestorben ist, haben

a[u]s Amerika gehört, von Frida hatten wir vor ca. 3 Wochen das erste Lebenszeichen seitdem

wir hier sind, aber auch nur 25 Worte, daraus erfuhren, daß sich ihre jüngste Tochter

in England nach U.S.A. verlobt hat. Sie selbst wohnte als sie schrieb bei der Schwiegermutter

ihrer ältern Tochter, also musste sie ihr Haus auch aufgeben und wo sie heute ist, weiß man

nicht, da sich vieles täglich ändert. Von lb. Ludwigen haben ziemlich regelmäßig die Rotkr...

Ich hoffe, daß auch Ihr auf dem gleichen Wege unterricht seid, daß es ihnen unber. den

Verhältnissen entsprechend, ordentlich geht. Gustav und Fanny leben auch noch dort, aber

Für den jüngsten Bruder von Tante Irma. Und nun genug von uns. Wie geht es Euch ?

Hoffentlich seid Ihr alle gesund und habt was zu dem Notwendigsten gehört. Rosel, Paul und

Kinder machen Euch gewiß viel Vergnügen. Gehen denn beide schon z[ur] Schule oder bis jetzt

nur Billa allein ? Und Du lb. Margot wie ist es mit dir ? Bis diese Zeilen zu Euch gelangen

ist Deine Lehrzeit vielleicht schon bald beendet. Und was kommt dann ? Was meint Ihr, wie

wir uns freuen mit Deinem Bild, wie gerne hätten wir von Euch allen mal eines gesehen. Ist

das nicht zu machen ? Unlängst traf ich auch Deine Klavierlehrerin, sie ist nur noch ein Strich,

hat sich gleich nach Dir erkundigt. Übrigens, Du hast doch früher so gerne gezeichnet und dann eine

so lebhafte Phantasie entwickelt, kannst Du dies in Deiner Schneiderei auch verwerten ?

Else Sernatinger-Oppenheimer schrieb, daß für Auerbachs auch die Abschiedsstunde geschlagen habe, es täte ihr sehr leid und denke mal, Frau Schröder hat uns durch Bach’s Grüße schicken

lassen. Wenn man die mal sprechen könnte ! Schloß ist auch hier, sieht blendend aus und hat sich

Schon längst über den Tod seiner Frau mit einer andern getröstet. Du wusstest doch, daß sie Juli 40

Gestorben ist ? – Und jetzt will schließen, d.h. Euch bitten uns regelmäßig zu schreiben, wenn

auch mal was verloren geht, es kommt doch auch wieder was an. hast Du von Hannele Kassel und deren Mutter was gehört ? Grüße Frau Dr. Winter. Wo ist denn ihre Mutter ? Auch Frau

Lindenstrauß grüße bitte und lb. Recha sei nicht böse, wenn bei Margot als mal der Kopf ...

geht, aber schließlich ist sie ja auch eine „Rapp” und wenn der „junge Wein” vergoren ist, er wird

so wie ihre Tanten, dann wird es mit Gottes Hilfe schon recht sein. Euch aber, Ihr Lieben,

danke ich für alles, was Ihr an lb. Kind tut, denn wir Eltern stehen leider mit unserer

Not und Sorge so ausgeschaltet und unsere Jahre vergehen und man lebt ohne alle s[eine] Lieben, ohne Lebens-

zweck und wird alt und müde, weil vor der Zeit. Bleibt alle recht gesund zusammen und tut Euch

nur Liebe an, denn Leid bringt das Leben alleine genug. Nehmt herzinnige Grüße und Küsse

von Deiner Mutter, Eure Tilli.

[Von anderer Hand: = Vater Friedrich]

5-5-42. M[eine] L[ie]b[en] und besonders lb. Margot ! Also mit Eurem

Rotkr[euz] Br[ie]f v[om] 22.I. freuten wir uns ausserordentlich und möchten doch so

gerne l[au]f[en]d und regelmässig v[on] Euch Bericht haben. Man ist begreiflicherweise

immer beruhigter, über Euer aller und Dein Wohl l. Kind unterrichtet zu sein.

Inzwischen habt Ihr hoffentlich auch weitere Post v[on] uns erhalten und zwar

schrieben wir gewöhnl[iche] Briefe im Januar und März, ferner im April einen Rot-

Kreuzschein, sämtlich an Deine Adresse lb. Abraham. Bitte uns doch den

Empfang jeweils zu bestätigen. Nachdem uns – wie oben erwähnt –

Dora Wiesel (Cousine ? Frau) aus Casablanca und ? a. geschrieben hat, dass sie nebst

ihrem Mann das Einreisevisum f[ür] Palästina habe, werfen sich natur-

gemäss auch für uns ähnliche Fragen auf. Bestehen denn überhaupt

noch für Margots Eltern und Brüderchen Möglichkeiten, das Visum

[Teil fehlt; dann auf der Vorderseite:]

Bleibt gesund, seid alle herzlichst

gegrüßt + geküsst von

Eurem Fritz + Papa

Transkription von Claudia Buggle

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