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Liebe und Hass unter den Nationalsozialisten

Bücher gegen das Vergessen: Max Liebster Erinnerungen und Andreas Müllers Weinheimer Gesprächssammlung

Die Verhaftung von Max Liebster in der Pforzheimer Wohnung der aus Weinheim geflüchteten jüdischen Familie Eckstein beendete am 11. September 1939 brutal eine junge Liebe. Der 24-jährige Odenwälder Max Liebster, in Reichenbach am Felsenmeer aufgewachsene, und die 18-jährige Weinheimerin Lore Eckstein hatten sich, wie in unserer Samstagsausgabe berichtet, bei einer der jüdischen Tanzveranstaltungen in Mannheim kennen und lieben gelernt. Die Ecksteins waren Ende März 1939 vor den Weinheimer Nationalsozialisten nach Pforzheim geflüchtet. Bei ihnen hoffte der junge Mann, der nach der Reichspogromnacht plötzlich keine Familie und keinen Arbeitsplatz mehr hatte, Unterschlupf zu finden. Die Hoffnung wurde mit der Verhaftung zerstört.

Max Liebster landete im Pforzheimer Gefängnis und wurde vier Monate in Einzelhaft gehalten. Von Januar 1940 bis Mai 1945 kämpfte er in fünf Konzentrationslagern ums Überleben: Sachsenhausen, Neuengamme, Auschwitz, Buna und Buchenwald. In einer ruhigen fast sachlichen Sprache schildert Max Liebster in seinem Buch "Hoffnungsstrahl im Nazisturm" (2003) die tägliche Demütigung, den Hunger, die Sklavenarbeit und den systematischen Sadismus der SS-Wächter.

Vater stirbt in Armen des Sohnes

Emotionaler ist sein Bericht über die Wiederbegegnung mit dem sterbenden Vater im KZ Sachsenhausen. Bernhard Liebster starb in den Armen des Sohnes. "Trag deinen Vater ins Krematorium, es ist der letzte Dienst, den du ihm erweisen kannst", sagte der Blockälteste. Das Krematorium war auf der anderen Seite des Lagers. Dorthin schleppte Max Liebster den toten Vater. "Als ich zu den Brennöfen gelangte, wiesen mich die Wärter an, meinen Vater auf einen Riesenhaufen nackter Skelette abzulegen".

In Auschwitz, dem damals noch österreichischen Geburtsort von Vater Bernhard Liebster, kam am 10. August 1942 der Häftlingstransport mit der Familie Eckstein an. Albert Eckstein, Felicitas Eckstein, Lore Eckstein und Martin Eckstein waren am 22. Oktober 1940 mit der berüchtigten Wagner-Bürckel-Aktion gegen die badischen und pfälzischen Juden verhaftet und nach Gurs deportiert worden. in Auschwitz endete das Leben von Eltern und Tochter. Ob Lore Eckstein am 18. August 1942 ihren 21. Geburtstag noch begehen durfte, ist unbekannt.

Über das Schicksal seiner Familie hat Martin Eckstein 1991 den Schülern des Werner-Heisenberg-Gymnasiums bedrückend berichtet. Er hat Gurs überlebt, weil er das Glück hatte, im Februar 1941 vom französisch-jüdischen Kinderhilfswerk OSE (Oeuvre de Secours aux Enfants)zusammen mit 50 anderen Kindern aus dem Lager Gurs geholt und in ein Waisenheim nach Aspet, nahe der spanischen Grenze, gebracht zu werden. Bis zum Abtransport nach Auschwitz hatte ihm seine Schwester Briefe geschrieben, von denen einige in der Sammlung des Stadtarchivs Pforzheim und als Kopie im Stadtarchiv Weinheim erhalten sind.

Max Liebster hat vom Schicksal der Familie Eckstein, die ihn in Pforzheim wie einen Sohn aufgenommen hatte, erst nach Kriegsende erfahren. In seinem Buch erinnert er dankbar an die Ecksteins, wähnte allerdings auch Martin Eckstein unter den Opfern.

Vor elf Jahren weilte Max Liebster in Weinheim. Aus dem Gespräch mit dem Weinheimer Journalisten Dr. Andreas Müller ist 1997 zunächst ein Beitrag im Fachmagazin für Aus- und Fortbildung entstanden, das Müller in seinem damals in Weinheim beheimateten Pressebüro Bergstraße herausgab. 1998 fasste Dr. Müller die Gespräche um das Überleben Max Liebsters und den Glaubenswechsel zu den Ernsten Bibelforschern, den heutigen Zeugen Jehovas, in einem Buch zusammen: "Ich hatte Mitleid mit den Nazis".

Acht Familienmitglieder verloren

Max Liebster hat acht Familienmitglieder in den Konzentrationslagern verloren, aber er traf nach dem Krieg seine Mutter und seine Schwestern wieder. Nach seiner Auswanderung 1946 in die USA arbeitete er als Schriftsetzer in der Druckerei der Watch Tower Bible and Tract Society, lernte dort Simone Arnold kennen, deren elsässischen Eltern Adolphe und Emma Arnold als Ernste Bibelforscher in den Konzentrationslagern Schirmeck, Mauthausen und ebensee gelitten hatten.

1956 heirateten Max Liebster (35) und Simone Arnold (20) in Paris. 2002 gründeten sie die Arnold-Liebster-Stiftung, die Projekte für Frieden, Toleranz und Menschenrechte und religiöse Freiheit fördert. Dafür warben die Liebsters mit Vorträgen in über 60 Städten Europas und Amerikas.

Die Gemeinde Reichenbach im Lautertal hat Max Liebster 2004 "in Anerkennung für seine ausdauernde Aufklärungs- und Friedensarbeit gegen das Vergessen" zu ihrem Ehrenbürger ernannt. Am 28. Mai vergangenen Jahres ist Max Liebster in Aix-les-Bains, seinem letzten Wohnort, im Alter von 93 Jahren verstorben.

Heinz Keller, veröffentlicht in den Weinheimer Nachrichten vom 05.01.2009

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