Suche

Suchen in:



  Hilfe

 

  •  

Ein großer Liberaler jüdischer Herkunft

Stadtgeschichte: Dr. Moritz Pfälzer arbeitete als Anwalt und Kommunalpolitiker für seine Weinheimer Mitbürger

Rechtsanwalt Dr. Moritz Pfälzer (1869-1936) genoss in Weinheim hohes Ansehen. Er galt als einer der erfahrensten Anwälte im Landgerichtsbezirk Mannheim und deshalb war es nicht weiter verwunderlich, dass sich Carl Freudenberg und die Maschinenfabrik Badenia, damals die größten Weinheimer Unternehmen, seine Dienste ebenso sicherten wie der Graf von Berckheim und die Stadt Weinheim.

Seine anwaltliche Tätigkeit ist 1902 erstmals belegt: damals vertrat Dr. Pfälzer die Stadtverwaltung im Streit mit der Firma Martenstein & Jousseaux um zusätzliche Kosten beim Neubau für das Realprogymnasium (heute Werner-Heisenberg-Gymnasium). Nach dem Ende des 1. Weltkriegs, an dem er als 46-Jähriger noch teilgenommen hatte, suchte Dr. Pfälzer seine politische Heimat bei der Deutschen Demokratischen Partei (DDP), der liberalen Partei der Weimarer Republik. In der DDP ging 1918 auch der klein "linke" Flügel der vormaligen Nationalliberalen Partei des Kaiserreichs auf, der Dr. Pfälzer bis dahin angehört hatte. Für die DDP, die auch von liberalen Juden getragen wurde, saß der Anwalt in der "Weimarer Zeit" im Bürgerausschuss und wirkte, wie seine jüdischen Glaubensbrüder Max Hirsch (DDP) und Sally Neu (SPD), für seine Weinheimer Mitbürger. 1911 wurde Dr. Pfälzer zum Vorsitzenden des Gewerbegerichts Weinheim berufen. Als Vorläufer des heutigen Arbeitsgerichts hatte das Gewerbegericht in Streitigkeiten zwischen Gewerbetreibenden und Arbeitern zu entscheiden. Mit Julius Hirsch, Siegmund Graf von Berckheim, Hermann Ernst Freudenberg und Bürgermeister Dr. Karl Alexander Wettstein bildete Dr. Pfälzer den Ehrenausschuss im 1912 gegründeten Pfadfinder-Korps "Jung Weinheim".

Geboren 1869 in Hemsbach Dr. Moritz Pfälzer war Jude, geboren am 17. August 1869 in Hemsbach als Sohn des Handelsmannes Heinrich Pfälzer und seiner Ehefrau Malchen, geborene Gutmann. Als Geburtsnamen trug er auch die jüdischen Vornamen Mosche Meir wie sein Vater Chaim genannt

wurde und seine Mutter Medel. Über die Kindheit und die Jugendjahre in Hemsbach ist ebenso wenig bekannt wie über seine Schulzeit und die Städte seines Jurastudiums. Bekannt ist nur, dass er 1893 seine Referendar- und 1896 die Assessorenzeit mit guten Noten abschloss.

Am 22. Juni 1903 erwarb Dr. Moritz Pfälzer das Anwesen Bürgermeister-Ehret-Straße 10. Ob er zu diesem Zeitpunkt schon mit der Straßburgerin Laura Martha Elsner, verheiratet war, ist nicht bekannt, wohl aber, dass am 15. August 1906 die Tochter Gertrud Erika geboren wurde, die am 15. März 1909 das Schwesterchen Edith Luise erhielt. Dr. Moritz Pfälzer wurde in einer für ihn besonders wichtigen Zeit zum ersten Mal Vater: zwei Wochen vor Erikas Geburt hatte er am 2. August 1906 mit Sigmund Hirsch und Bezirksrabbiner Dr. Pinkus (Heidelberg) den Festzug zur neuen Synagoge angeführt und nach der Weihe des Gotteshauses beim Festakt im Hotel "Pfälzer Hof" (heute Stadthallenareal) als Vorsitzender der israelitischen Gemeinde Weinheim die Hoffnung nach einer glücklichen Zukunft zum Ausdruck gebracht: "Wir wünschen von Herzen, dass die Zeit nicht mehr fern sein möge, wo man den Menschen nicht nach seiner Religion und Abstammung, sondern nach seinem inneren Wert in dem beurteilt, was er ist". Diese Hoffnung erfüllte sich nicht. Spätestens am 22. Oktober 1940 endete die jahrhundertelange Geschichte der jüdischen Gemeinden Weinheim und ihrer drei Synagogen. Dr. Moritz Pfälzer musste das brutale Scheitern seiner Hoffnungen

nicht mehr erleben: er starb, 66-jährig, am 8. März 1936 in Frankfurt und wurde neben seiner Mutter auf dem Hemsbacher Verbandsfriedhof bestattet.

Heinz Keller, erschienen in den "Weinheimer Nachrichten" vom 23.08.2008

Zurück zur DokumenteübersichtZurück zum Seitenanfang