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„Zum Abwanderungstransport eingeteilt …”

Der Weinheimer Religionslehrer Auerbacher als letzter Leiter „der Klaus”, der privaten jüdischen Schule in Mannheim

Arthur Auerbacher, 1898 in Kippenheim im heutigen Ortenaukreis geboren, war nach der Deportation der badischen Juden am 22. Oktober 1940 nach Gurs und bis zu seiner eigenen Deportation am 26. April 1942 nach Theresienstadt der letzte Leiter der privaten jüdischen Schule in Mannheim. Außer den Eintragungen in der Weinheimer Einwohnermeldekartei, die 1934 den Zuzug der Familie aus Sinsheim, 1939 den Wohnungswechsel von der Friedrichstraße in die untere Hauptstraße und 1942 die „Evakuierung in den Osten” bestätigen, und außer den vier Volkskarteikarten, die 1938 als Ausweiszwang für die Juden eingeführt wurden, gibt es in Weinheim keine Hinweise auf die Familie Auerbacher. Den Bemühungen des Stadtarchivs ist es in jüngster Zeit allerdings gelungen, Informationen über die Familiengeschichte Auerbacher in Kippenheim, über die Tätigkeit des Religionslehrers in Sinsheim (wir berichteten) und seine Arbeit an der jüdischen Schule in Mannheim zu erhalten.

Schon 1934 in Mannheim?

In einer Liste der jüdischen Lehrkräfte, die im Zusammenhang mit der Einrichtung einer privaten jüdischen Schule in Mannheim genannt werden, steht auch der Name Arthur Auerbacher. Das lässt vermuten, dass der gerade nach Weinheim gezogene Religionslehrer dem Mannheimer Lehrkörper angehörte, als mit Schuljahrsbeginn 1934 die erste Klasse der neuen Schule eingerichtet wurde. Das badische Kultusministerium hatte der Einrichtung zugestimmt: „nicht aus Entgegenkommen, sondern aus völkischen Gründen”, wie Volker Keller in seinem Buch „Jüdisches Leben in Mannheim” feststellt: „Die Absonderung der jüdischen Schüler lag im Interesse des nationalsozialistischen Staates”. Von dieser Möglichkeit der Sonderbeschulung ihrer Kinder machten auch Weinheimer Juden Gebrauch, vor allem nach der Pogromnacht.

Die berühmte Klausstiftung

Jüdische Lehr- und Erziehungseinrichtungen hatten in Mannheim eine lange Tradition. 1816 wurde in den Räumen der Lemle-Moses-Klausstiftung in F 1,1 eine private jüdische Schule eingerichtet. Klaus steht im Namen dieser bedeutendsten jüdischen Stiftung für Klause, Lemle Moses für den ungewöhnlich reichen Gemeindevorsteher Lemle Moses Reinganum, der 1706 mit kurfürstlicher Zustimmung ein religiöses Zentrum für Mannheim gestiftet hatte. In der Schule wurden Jungen vom 6. bis 13. Lebensjahr, Mädchen vom 7. bis 13. Lebensjahr in Religion, biblischer Geschichte und Sittenlehre, in deutscher und hebräischer Sprache, Schönschrift, Geographie, Verstandes- und Gedächtnisübungen unterrichtet und zwar getrennt nach Geschlechtern. Als 1870 in Mannheim die Simultanschule eingeführt wurde, wurde auch die israelitische Volksschule aufgelöst. Die Eingliederung der jüdischen Kinder in die gemischten Klassen gelang, doch nach der nationalsozialistischen „Machtergreifung” 1933 entstanden für jüdische Schüler in öffentlichen Schulen zunehmend Konflikte aus antijüdischen Unterrichtsinhalten und der ablehnenden Haltung von Mitschülern und Lehrern.

Vorbereitung auf Auswanderung

Deshalb strebte die jüdische Gemeinde Mannheim, mit 7 000 Gemeindegliedern damals die größte unter den 123 jüdischen Gemeinden in Baden, die Wiedergründung der jüdischen Schule an. Sie wurde zu einer Art „Gesamtschule” und bereitete mit der Einführung des 9. Aufbauschuljahres – 1936 einzig in Baden und der Pfalz - intensiv auf Beruf und Auswanderung vor. Dazu wurde in Neckarau eine Anlernwerkstätte für eine Schlosser- und Schreinerausbildung geschaffen und in Birkenau soll es, nach dem Bericht von Volker Keller, eine Stätte der Hachschara(=Tauglichmachung)-Ausbildung gegeben haben, die auf das Leben in Palästina vorbereiten sollte.

Das Ende „der Klaus”

Am 22. Oktober 1940 hörte „in der Klaus”, wie die Stiftung vereinfachend genannt wurde, der Unterricht auf, nachdem Schüler und Lehrer nach Gurs verschleppt worden waren. Unter der Leitung des davon verschonten Lehrers Arthur Auerbacher fand in einem der jüdischen Restgemeinde Mannheim verbliebenen Gebäude in B 7,2, dem Altersheim der Klausstiftung, für Kinder aus „Mischehen” ein eingeschränkter Unterricht statt. Nach Auerbachers Deportation am 24. April 1942 standen keine pädagogisch vorgebildeten Lehrkräfte mehr zur Verfügung. Nun übernahmen der Arzt Dr. Kurt Weigert und Dr. Fritz Cahn-Garnier, von 1921 bis 1933 Stadtsyndikus, 1946 Finanzminister in Württemberg-Baden und ab 1948 Mannheimer Oberbürgermeister, den Unterricht für 22 schulpflichtige „Mischlinge”. Die provisorische jüdische Schule wurde am 30. Juni 1942 vom Reichsinnenminister geschlossen.

Der Wegfall eines Menschen

In einer erschreckenden Sachlichkeit wird das Schicksal Arthur Auerbachers in zwei Briefen abgehandelt, die zudem verraten, dass seine und seiner Familie Deportation bereits am 29. März 1942 feststand, vier Wochen vor „Abfertigung des Abwanderungstransports”, wie die Deportation am 24. April 1942 selbst von jüdischen Einrichtungen genannt wurde. Vom 29. März 1942 ist ein Bericht des Israelitischen Oberrats in Karlsruhe datiert, in dem festgestellt wird: „Durch den Wegfall des Leiters der privaten jüdischen Volksschule in Mannheim, Lehrer Arthur Israel Auerbacher, Listennummer 7, wird die Einstellung einer neuen Lehrkraft notwendig, die in Baden nicht vorhanden ist”.

Offensichtlich bemühte sich auch die Bezirksstelle Baden-Pfalz der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland um die Verschonung Auerbachers von der Deportation. Ihr Leiter schrieb am 14. April 1942 an die Schulabteilung der unter direkter Kontrolle des Reichssicherheitshauptamtes der SS stehenden Reichsvereinigung: „Ich bestätige, dass der Schulleiter Auerbacher zum Abwanderungstransport eingeteilt ist. Ich habe bereits mündlich und schriftlich der Behörde vorgetragen, dass Lehrer Auerbacher die einzige Lehrkraft in Baden ist und dass ich genötigt wäre, die Zuweisung einer Lehrkraft von außerhalb Badens zu beantragen, da auch nach Abfertigung des Abwanderungstransports 22 Schulkinder in Mannheim beschult werden müssen. Die Behörde hat mir ihre Entschließung zu dem Antrag auf Freistellung des Lehrers Auerbacher bis zur Stunde nicht eröffnet, es entzieht sich meiner Beurteilung, ob mit Rücksicht auf das von mir Vorgetragene die Lehrkraft belassen wird”.

Eine Familie verschwand

Die mit der Ordnungsziffer 7 zum Abtransport bestimmte Lehrkraft Arthur Israel Auerbacher wurde nicht „belassen”. Arthur (44), Johanna (45), Berthold (14) und Herbert Auerbacher (10) wurden am 26. April 1942 ins Ghetto Theresienstadt deportiert und vermutlich im Sommer ins Transit-Ghetto Izbica im Distrikt Lublin des damaligen Generalgouvernements gebracht. Von Izbica aus rollten die Züge in die Vernichtungslager Belzec und Sobibor.

Verfasser: Heinz Keller,

veröffentlicht in: "Weinheimer Nachrichten" vom 07.08.2007

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