Dankbare Briefe aus Israel, Südafrika, Süd- und Nordamerika:
Wir dürfen wieder stolz auf die Heimat sein
Weinheims ehemalige jüdischen Mitbürger erinnern sich dankbar des Heimattreffens
Das bedeutendste Ereignis des letzten Jahres in Weinheim war das Heimattreffen von siebzehn ehemaligen jüdischen Mitbürgern. Vierzig Jahre nach dem schrecklichen Geschehen, das die einst blühende jüdische Gemeinde Weinheims vernichtet und ihre Synagoge zerstörte, erlebten die aus Israel, Uruguay, Chile und Südafrika gekommenen Söhne und Töchter angesehener Weinheimer Kaufmanns- und Handwerker-Familien ihre Heimatstadt als Symbol des neuen, des anderen Deutschlands. Dieses Erlebnis wurde allen Teilnehmern an diesem Heimattreffen unvergeßlich.
Die Eindrücke aus der Wiederbegegnung mit der alten Heimat und mit den Freunden der Jugendzeit sind unverändert lebendig in den Brauns und Oppenheimers, den Altstädters und Neus. Sie alle haben an Oberbürgermeister Gießelmann Dankesbriefe geschrieben und lassen über ihn den Weinheimer Bürgern ein gutes, friedvolles Jahr 1980 wünschen.
"Wir kamen mit gemischten Gefühlen, doch verlassen wir sie mit dem festen Bewußtsein, daß wir nach langer Zeit wieder hoffnungsvoll in die Zukunft sehen können", bekennt Manfred Oppenheimer (69) und fährt fort: "Es war wenigstens für mich, immer ein bedrückendes Gefühl, die Heimatliebe unterdrücken zu müssen. Sie haben es fertiggebracht, daß wir wieder stolz auf unsere Heimat sein dürfen. Ihnen und der ganzen Stadt Weinheim gebührt höchste Anerkennung, nicht nur von uns, sondern von allen Deutschen. Es war ein so nettes und harmonisches Einvernehmen; man kann nur immer denken, wie schön es wäre, wenn alle Menschen in der Welt sich so vertragen könnten. Aber leider wird das wohl nie sein. Schade, daß wir Menschen uns das Leben so schwer machen. Es geht auch anders, wie wir in den Tagen bei Ihnen festgestellt haben". Die Reise nach Weinheim, meint der jüngste Sohn des einst in der Nachbarschaft des "Grünen Baum" beheimateten Metzgermeisters Max Oppenheimer, sei ein Erlebnis gewesen und die Hände, die sich allen entgegengestreckt haben, drücke er in aufrichtiger Dankbarkeit.
Ähnlich äußerten sich die anderen Teilnehmer am Weinheimer Heimattreffen, das in den Medien und in zahlreichen europäischen Städten stark beachtet wurde. "Wir können es kaum im Worte fassen, wie sehr uns der Aufenthalt gefallen hat", schrieben Lotte und Paul Altstädter (68) und Bruder Walter Max Altstädter (70), einst zweitjüngstes von den vier Kindern des Mehl- und Getreidehändlers Nathan Altstädter vom Friedrichseck, meinte, das Heimattreffen sein ein unvergeßliches Erlebnis gewesen: "Möge es dazu beitragen, unsere Beziehungen zur alten Heimatstadt und den vielen Freunden und Klassenkameraden, die ich zurückgelassen habe und die uns nicht vergessen haben, wieder aufzunehmen und die finsteren Tage der Vergangenheit zu vergessen".
Aus Montevideo bedankte sich Anneliese Blum (65), Tochter des Textilkaufmanns Siegfried Bergen: "Die acht Tage in Weinheim waren wirklich ein Stück Paradies. Wir hatten das Gefühl, unter Menschen zu sein, die es gut mit uns meinten". Dies sei bei dem anschließenden Urlaub in Wildbad nicht so gewesen. Hier sei man ihnen sehr kühl entgegengetreten.
Ernst Friedrich Braun (65), Bruder des inzwischen verstorbenen Initiators des Heimattreffens, Alfred Georg Braun, erneuerte seine Anerkennung für Gemeinderat und Bürgerschaft, daß dieses Treffen möglich wurde. "Die lieben Weinheimer, die in großer Anzahl zur Begrüßung kamen, sind ein Beweis für mich, daß sich das politische Klima in der alten Heimat sehr verbessert hat. Auch dafür können wir Gott danken", schrieb Ernst Friedrich Braun. Er empfand die Gelegenheit mit Glaubensgenossen, von denen er lange nichts gehört hattte, gerade in Weinheim zusammenzutreffe, als unerwarteten Nutzen.
Ähnliche Empfindungen hatten die beiden Lützelsachsener Jonas-Schwestern Bertha Fürth und Irene Marnfeld: "Sie haben uns überzeugt, daß jetzt wieder ein neues Deutschland besteht, wo alle Menschen ohne Unterschied von Religion zusammen arbeiten und leben können". Otto Maier-Rothschild (68), Sohn des Kammermusikverein-Gründers Marx Maier und Neffe der berühmten Pianistin Pauline Rothschild, jetzt in Santiago de Chile zu Hause, anerkannte, daß dieses Treffen nicht leicht auszurichten war. Das verdiene besondere Anerkennung.
Aus Johannisburg schrieb Erwin Neu (71): "Es gibt keine Worte, den Dank auszudrücken. Alles hat die Erwartungen übertroffen". Der einstige 09er-Fußballer legte zwei Schecks bei: Einen für das Deutsche Rote Kreuz, einen zweiten für den FV 09 Weinheim. Auch Nelli Neumann (74), Isaak Heils Tochter, freute sich über den "Riesenerfolg" dieses Treffens, das noch lange Zeit in Erinnerung bleiben werde. Ähnlich äußerten sich Max Oppenheimers Söhne Erwin (71) und Siegfried (72) und Margot Seewi (53) bedauerte, daß sie nur einen Tag an diesem Heimattreffen teilnehmen konnte: "Es war ein einmaliges Erlebnis".
Aus Israel schrieb Hanna Vollweiler (72), Nichte des letzten Synagogenvorstehers David Benjamin: "Herzlichen Dank für die unvergeßlich schöne Zeit. Es war ein einmaliges Erlebnis. Ich gedenke dankbar der schönen Stunden, die wir in unserer alten Heimat verbringen durften."
Verfasser: Heinz Keller,
veröffentlicht in: „Weinheimer Nachrichten” vom 09.02.1980