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Viele Weinheimer kauften bei Oppenheimer ihren Sonntagsbraten

Max Oppenheimers schwieriger und holpriger Lebensweg führte auch ins Konzentrationslager und endete in den USA

Jahrhundertelang war den Juden der Zugang zu „normalen” Berufen verwehrt worden. Die jüdischen Familien lebten überwiegend vom Waren-, Vieh- und Geldhandel. Bereits seit dem Mittelalter war ihnen der Zugang zur Landwirtschaft verschlossen, da Juden keinen Boden erwerben konnten. Auch handwerkliche Berufe konnten sie nicht erlernen, weil sie nicht in die Zünfte aufgenommen wurden. Als eine Folge des Aufklärungszeitalters und der Französischen Revolution setzte Anfang des 19. Jahrhunderts auch im neuen Großherzogtum Baden ein Prozess ein, in dessen Verlauf Juden wieder bürgerliche Rechte eingeräumt wurden. Von 1807 an hoben so genannte Konstitutionsedikte die Jahrhunderte zuvor erlassenen Beschränkungen auf, doch lässt sich aus einer Akte von 1825 erfahren, dass von den älteren Juden, die schon vor 1809 erwerbstätig waren, keiner einen Beruf erlernt hatte. Diese Juden verdienten ihren Lebensunterhalt mit Nothandel, Gemischt- und Mehlhandel.

Ein junger Metzger

Zu den Juden, die von dem neuen Gesetz und der nun freien Berufswahl profitierten, gehörte Max Oppenheimer, 1878 in Birkenau geboren. Nach der Schulentlassung erlernte er den Metzgerberuf und war danach in Frankfurt, Worms, Wiesbaden und anderen Städten tätig. Als junger Metzgermeister kam er nach Weinheim und heiratete 1906 Magdalena Fernich aus Ulmen im Kreis Cochem. Das junge Paar wurde Mieter bei Schuhhändler Michael Kraft, dem Nachbarn von Dr. Adam Karrillon an der unteren Hauptstraße. Mit den Söhnen Siegfried (Geburtsjahr 1907), Erwin Lothar (1908) und Manfred (1910) wohnten die Oppenheimers zwischen 1908 und 1921 bei Kaufmann Anton Hellstern und damit neben dem Café Keppler (später Café Schütz) an der mittleren Hauptstraße. Zwischen 1915 und 1918 war Max Oppenheimer Kriegsteilnehmer. 1921 erwarb er in der heutigen Fußgängerzone das Nachbargebäude des „Grünen Baum” und eröffnete eine Metzgerei. Sie hatte einen großen Kundenkreis und belieferte bis 1934 auch das Städtische Krankenhaus. Dann schlossen die Nationalsozialisten die Metzgerei Oppenheimer von der Krankenhausbelieferung aus.

Am 27. April 1934 berichtete das „Hakenkreuzbanner” unter dem Titel: „Wieder einer weniger” aus Weinheim: „Die Hauptstraße, die in ihrer Geschäftslage vom Marktplatz bis zum Rodensteiner überwiegend von Juden besetzt war, verliert wieder einen Vertreter des auserwählten Volkes. Max Oppenheimer, der die Weinheimer Juden mit Koscher-Waren versorgt hat, schließt seinen Laden. Ab Samstag, 28. April, wird Metzgermeister Hermann Geißler aus Großsachsen in dem Oppenheimerschen Anwesen eine Rinds-, Kalbs- und Schweinemetzgerei eröffnen”.

Vor dem Sondergericht …

Das Jahr 1934 war ein schwieriges Jahr für Max Oppenheimer. Am 20. August stand der 55-Jährige vor dem Badischen Sondergericht in Mannheim und wurde „wegen Verbrechens nach dem (1933 von den Nationalsozialisten erlassenen) Gesetz gegen Verrat der deutschen Volkswirtschaft” zu einem Jahr und vier Monaten Zuchthaus und drei Jahren Ehrverlust verurteilt. Oppenheimer hatte von seinem in Amerika lebenden Onkel 4.300 Dollar geerbt, die Erbschaft aber der Devisenstelle nicht angezeigt. Bis zum Erlass des Volksverrats-gesetzes mit seinen verschärften Devisenbe-stimmungen hatte der Metzgermeister 2.700 Dollar nach Deutschland transferiert. Oppenheimer verteidigte sich vor dem Sondergericht mit dem Hinweis auf einen schweren Unfall, nach dem er so krank gewesen sei, dass ihm die Anmeldung der Erbschaft bei der Steuerbehörde ganz aus dem Kopf gekommen sei. Das Gericht folgte dieser Einlassung nicht, doch schon nach 439 Hafttagen wurde ihm im Oktober 1934 die restliche Zuchthausstrafe erlassen.

… und in „Vorbeugehaft”

Durch einen geheimen Erlass des Reichskriminalpolizeiamtes wurde im Dezember 1937 der Begriff der „vorbeugenden Verbrechensbekämpfung durch die Polizei” eingeführt. Die „Vorbeugehaft” unterschied sich kaum von der Schutzhaft, da sie ebenfalls regelmäßig mit der „Überstellung” in ein Konzentrationslager verbunden war (Christa Modig: „Die jüdischen Bürger Weinheim 1933-1945”). Die vorbeugende Verbrechensbekämpfung brachte in Weinheim drei jüdische Bürger ins Visier der Sicherheitspolizei, doch nur Max Oppenheimer wurde am 16. Juni 1938 verhaftet und ins Bezirksgefängnis Mannheim eingeliefert: mit dem Auftrag der Staatlichen Kriminalpolizei an den Amtsarzt, Oppenheimer auf seine Arbeits- und Haftfähigkeit zu untersuchen. Sollte er arbeits- und haftfähig sein, „ist er mit dem nächsten Gefangenensammeltransport dem Konzentrationslager Buchenwald bei Weimar zuzuführen”.

Endziel Buchenwald

In Mannheim war man offenbar auf die neuen Aufgaben noch nicht vorbereitet. Am 18. Juni wurde der Transport Oppenheimers ins Konzentrationslager Sachsenhausen bei Oranienburg angeordnet, doch am 21. Juni war er immer noch im Mannheimer Schloss eingesperrt und schrieb an seine Frau, dass er nicht wisse, warum er festgehalten werde. Oppenheimer bat seine Frau, sie möge sich bei Max Hirsch um einen guten Anwalt bemühen. Da sich der Inhalt mit seiner Inhaftierung beschäftigte, wurde der Brief nicht befördert. Am 30. Juni sollte Oppenheimer „dem in Mannheim abgehenden Gefangenenwagen zum Transport in das Konzentrationslager Dachau übergeben” werden, doch die „Verschubung” (Urkundentext) erfolgte erst am 7. Juli.

Endziel der „vorbeugenden Verbrechensbekämpfung gegen den Juden Oppenheimer” scheint dann doch das KZ Buchenwald gewesen zu sein, denn von dort meldete Max Oppenheimer dem Standesamt Weinheim, „daß ich lt. Nürnberger Gesetz Jude bin und den Zunamen Israel führe”.

Emigration in die USA

1939 wurde Max Oppenheimer aus dem Konzentrationslager entlassen und emigrierte am 30. Mai 1939 zusammen mit seiner Frau Magdalena nach New York. Dort wurden die Eltern von den drei Söhnen Siegfried, Erwin und [P:374:Manfred] erwartet, die schon vor der Verhaftung des Vaters in die USA ausgewandert waren.

Verfasser: Heinz Keller,

veröffentlicht in: "Weinheimer Nachrichten" vom 08.09.2006

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