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Erst Werbepartner, dann verteufelter Rassenfeind

An der Hauptstraße zwischen Marktplatz und Dürreplatz warben in den 20-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts rund 20 jüdische Geschäfte um Kunden. Sie hatten die Vorteile moderner Verkaufsförderung früh erkannt und nutzten sie in den beiden lokalen Tageszeitungen.

In halb- und ganzseitigen Anzeigen pries das Warenhaus Geschwister Mayer seine Frühjahrs- und Sommer- oder die Herbst- und Winter-Neuheiten an, warb vor den christlichen Feiertagen mit Sonderrabatten, weitete an den bevorzugten Einkaufstagen die Öffnungszeiten "bis 9 Uhr abends" aus, achtete aber auch streng auf den Ladenschluss an den hohen jüdischen Feiertagen.

Als 1906 am 30. September und 1. Oktober "Rosch ha-Schana", das jüdische Neujahrsfest, gefeiert wurde, machten die jüdischen Einzelhändler Weinheims mit Zeitungsinseraten darauf aufmerksam, dass ihre Geschäfte "hoher Feiertage wegen" geschlossen bleiben, während gleichzeitig ihre christlichen Konkurrenten mit "25 % Extra-Rabatt" zum Einkaufsbummel in die Hauptstraße und auf den Marktplatz lockten.

"Inventur Ausverkauf"

Im Januar vereinten sich die Innenstadt-Geschäfte dann wieder in der gemeinsamen Werbung für den "Inventur-Ausverkauf" . Nun standen die Namen Geschwister Mayer, David Benjamin, Adolf Braun, Heinrich Liebmann, Jakob Rothschild, Ferdinand Stiefel und Josef Wetterhahn in einer gemeinsamen Anzeige neben den Namen Rudolf Bucher, Fritz Janzer und Carl Wild.

Mit den Gemeinsamkeiten war es spätestens am 1. April 1933 vorbei, als sich uniformierte SA-Männer vor 32 jüdischen Geschäften postierten, "um Käufer zu unterrichten, das Einkaufen in den boykottierten Geschäften zu unterlassen", wie der Boykott der jüdischen Geschäfte in einem Zeitungsbericht verharmlosend geschildert wurde. Deutlicher nannte der Text auf den Plakaten, die auf die Schaufensterscheiben geklebt wurden, das Ziel der Aktion: "Deutsche! Kauft nicht bei Juden!" und "Die Juden sind unser Unglück!".

Man kauft gut

Das Weinheimer Adressbuch erschien 1933 mit einer "durch höhere Gewalt bedingten Verzögerung", weil die Konsequenzen aus der nationalsozialistischen "Machtergreifung" und dem Gleichschaltungsgesetz vom 31. März 1933 mit dem Verbot der sozialistischen Vereine noch berücksichtigt werden mussten. Doch auch in einem Nachschlagewerk, das so schnell und umfassend alle Organisationen der NSDAP und ihre "Führer" auflistete, war noch Platz für diese Anzeige: "Man kauft gut und billig ein im Kaufhaus Geschwister Mayer. Umfangreiche Spezialabteilungen für alle Bedarfsartikel". Jüdisches Geld war durchaus willkommen.

Am 6. Juli 1936 wurde das Kaufhaus Geschwister Mayer im Gewerberegister gestrichen. Nahezu 40 Jahre lang hatte es als "Unbedingt größtes, billigstes und reellstes Sortimentsgeschäft am Platze" (Eigenwerbung) zu den Anziehungspunkten der Einkaufsstadt Weinheim gezählt. Seine Geschäftsräume befanden sich in einem zweigeschossigen Backsteingebäude, das 1990 dem dreigeschossigen Neubau des Drogeriemarkts Müller in der Fußgängerzone weichen musste. 1897 war das Warenhaus eröffnet worden. Es gehörte zu der Warenhauskette, die von sechs Geschwistern Mayer um die Wende zum 20. Jahrhundert unter dem Namen "Geschwister Mayer" in der Region zwischen Taunus und Bergstraße betrieben wurde.

Namen nicht im Adressbuch

Weil die Geschwister Mayer nicht Eigentümer des Hauses Hauptstraße 45 (heute Hauptstraße 100) waren, tauchten ihre Namen auch nicht in den Grundbüchern auf. Deshalb weiß man auch nicht mit Sicherheit, ob die 1899 im Amtshausbezirk und damit im Bereich der heutigen Fußgängerzone wohnenden Kaufleute David Mayer und Moritz Mayer die ersten "Geschwister Mayer" waren.

Diese beiden Namen sind im Adressbuch von 1900 nicht mehr zu finden. Dafür ist dort festgehalten, dass der Textilkaufmann Jakob Blach Inhaber des Kaufhauses Geschwister Mayer ist. Der 1868 in Reichensachsen (heute Gemeinde Wehretal) nahe dem Hohen Meißner geborene Jakob Blach war seit 1899 mit der 1874 in Billigheim bei Mosbach geborenen Betty Mayer, wohl einer von fünf Schwestern Mayer, verheiratet und hatte mit ihr die Kinder Siegfried (geboren 1900) und Alice Hilde (geboren 1905) . Die Familie Blach wohnte bis 1908 in dem Gebäude, in dem 1897 das Warenhaus eröffnet wurde, und von 1908 bis 1918 bei Bezirksbaumeister Julius Barrié, [O356Ehretstraße 1]. 1918 wechselten die Blachs über die Straße in das Gebäude Ehretstraße 4 und wohnten damit gegenüber der 1906 eingeweihten Synagoge der israelitischen Gemeinde Weinheim.

Die Zerstörung der Synagoge am 10. November 1938 musste Jakob Blach, der sich in der jüdischen Gemeinde für seine Glaubensgenossen und im Vorstand des Einzelhandelsverbandes Baden für die Gesamtheit der Weinheimer Einzelhändler und damit für die Stärkung der Einkaufsstadt Weinheim engagierte, nicht mehr erleben: er war bereits 1934 verstorben. Sein Grab liegt im jüdischen Teil des Heidelberger Bergfriedhofs.

Auch seine Frau Betty war an diesem Schicksalstag der jüdischen Gemeinde nicht mehr in Weinheim: sie war im Februar 1938 nach Frankfurt gezogen und emigrierte noch im gleichen Jahr in die USA nach New York.

Siegfried Blach nahm 1918 das Studium in Heidelberg auf und verzog 1924 nach Frankfurt. Ob er noch einmal nach Weinheim zurückkehrte, ist nicht bekannt. Mit Erlass des badischen Justizministeriums wurde ihm 1940 die deutsche Staatsangehörigkeit entzogen. Mehr als dieser Eintrag in der Weinheimer Volkskarteikarte ist von Siegfried Blach nicht bekannt.

Seine Schwester Alice Hilde studierte in Genf, kehrte nach Weinheim zurück ins Elternhaus und heiratete 1930 den aus Tauberbischofsheim stammenden Kaufmann Dr. Kurt Spiegel. Ihr gemeinsamer Sohn Franz Werner kam 1933 zur Welt. 1937 emigrierte Frau Spiegel nach New York.

Das Haus Ehretstraße 4 verkaufte Frau Blach im Januar 1938 an Freudenberg & Co., ehe sie nach Frankfurt zog.

Heinz Keller, veröffentlicht in den "Weinheimer Nachrichten" vom 31.08.2007

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