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Fund im Internetauktionshaus: Alte Postkarte mit Ansichten aus Lützelsachsen

Stolpersteine in Weinheim mit Lützelsachsener Vorgeschichte

Vor dem Haus Hauptstraße 28 liegen im Gehweg vier Stolpersteine. Sie erinnern an Heinrich und Clementine Weil, an Max und Hannchen Neu. Die beiden Ehepaare wurden, zusammen mit den letzten in Weinheim verbliebenen Juden, am 22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert. Alle vier verloren in den Konzentrationslagern im Süden Frankreichs ihr Leben.

Max Neu (1878-1942) stammte aus der seit Generationen im Häute- und Lederhandel tätigen Familie Neu. Louis Neu (1846-1921) und Sara Neu (1854-1912) waren seine Eltern, Sally Neu (1882-1961), der Lederkaufmann und Weinheimer SPD-Gemeinderat, war sein Bruder. Mit ihm zusammen übernahm Max Neu das Leder- und Häutegeschäft des Vaters und das Lager gegenüber dem Schlachthof. Mit seiner Frau Hannchen, geborene Reinach, wohnte Max Neu im Elternhaus Hauptstraße 115 (heute Hauptstraße 28). Von hier aus wurden beide nach Gurs am Fuß der Pyrenäen deportiert.

In kleinere Lager

Ab Februar 1941 wurde in Gurs mit der Verlegung einer größeren Zahl von Deportierten in kleinere Nebenlager begonnen: Familien mit Kindern kamen hauptsächlich nach Rivesaltes (Département Pyrénées Orientales), ältere Gurs-Internierte wurden in das Lager Noé südlich von Toulouse verlegt, andere, vor allem auch Behinderte, kamen in das Lager Récébédou (Département Haute Garonne).

Auch die Weinheimer wurden verlegt. Max Neu starb am 16. Februar 1942 in Noé. Er war 63 Jahre alt. Ob seine Frau Hannchen ebenfalls nach Noé verlegt wurde, ist ebenso wenig bekannt wie ihr Todestag. Ihre Spuren haben sich, wie die vieler anderer Deportierter, verloren.

Die Familie Weil

Von Heinrich Weil (1875-1942) und seiner Frau Clementine, geborene Lederer (1887-1943), war in den Unterlagen des Stadtarchivs lange wenig bekannt. Das änderte sich mit der Bildung und der Arbeit des Arbeitskreises „Juden in Lützelsachsen” und seinem engagierten Bemühen, mehr über die jüdischen Familien zu erfahren, die einst in Lützelsachsen gelebt und ihren Platz in der Dorfgemeinschaft hatten. In einer Broschüre veröffentlichte der Arbeitskreis 2007 das Ergebnis seines Suchens im Ortsarchiv, im Stadtarchiv und bei einem Erzählcafé mit älteren Lützelsachsenern im evangelischen Gemeindehaus.

Dabei wurde auch über Heinrich Weil mehr bekannt. Er war 1910 aus Bühl nach Lützelsachsen gekommen und hatte 1914 Johanna Kaufmann geheiratet, die Tochter aus dem Gemischtwarenladen von Aron Kaufmann. Später trug das Geschäft den Namen „Specereihandlung Aron Kaufmann Witwe, Inhaber Heinrich Weil”. 1916 wurde Sohn Alfred geboren. 1930 starb Johanna Weil im Alter von 43 Jahren. Sie wurde auf dem Hemsbacher Judenfriedhof bestattet. 1932 heiratete Heinrich Weil zum zweiten Mal: Clementine Lederer aus Offenbach.

Geschäftsaufgabe und Umzug

Nach den Unterlagen der Lützelsachsener Ortsverwaltung gab Heinrich Weil 1935 das Geschäft auf. Die Auswirkungen der nationalsozialistischen Judengesetze, so heißt es in der Akte, hätten ihn dazu bewogen. 1938 verkaufte Weil das Zweifamilienhaus an der Sommergasse an Friseurmeister Karl Väth und zog 1939 mit seiner Frau Clementine nach Weinheim in die untere Hauptstraße.

Alfred Weil, der Sohn aus Weils erster Ehe, war Mitschüler des späteren Lützelsachsener Ortsvorstehers Eugen Koch am Realgymnasium Weinheim und Mitglied im damaligen Turnverein Lützelsachsen. Er wanderte in jungen Jahren nach Amerika aus, fand Aufnahme bei Verwandten, lebte später als Kaufmann in New York und kehrte 1991 zum zweiten Heimattreffen ehemaliger jüdischer Bürger nach Weinheim zurück. Inzwischen ist Alfred Weil verstorben.

80 Jahre alte Postkarte

Das Suchen nach jüdischen Spuren in Lützelsachsen hat in den letzten Tagen neuen Auftrieb bekommen: Jürgen Herrmann, Mitglied des Arbeitskreises „Juden in Lützelsachsen”, hat eine alte Postkarte von Lützelsachsen entdeckt, die neben einer Gesamtansicht von Lützelsachsen zwei Gebäude zeigt: die „Bäckerei und Specereihandlung von Wilhelm Frei”, das nördliche Eckhaus bei der Einmündung der Sommergasse in die Weinheimer Straße, und die „Specereihandlung von Aron Kaufmann Ww. Inhaber Heinrich Weil”. In den Fenstern und auf den Stufen beider Häuser sind Personen zu sehen: vermutlich der Bäckermeister Frei und seine Frau auf der einen Seite, in der Fünfergruppe auf der anderen Seite wohl Heinrich Weil, seine erste Frau Johanna und ein Junge, der Alfred Weil sein könnte. Die Postkarte ist handschriftlich auf 26. März 1928 datiert.

Im Internetauktionshaus

Zeitgemäß ist der Weg, auf dem Jürgen Herrmann die Karte fand: der im Naturschutz engagierte Lützelsachsener – seine nächste Fledermausführung beginnt am 15. Mai, 20.30 Uhr, am Eingang zum Weinheimer Turnerbad – sucht im Internetauktionshaus eBay regelmäßig auch nach alten Ansichtskarten aus der Gegend um Weinheim. Ein Luftbild von Lützelsachsen aus dem Jahre 1938 konnte er zwar nicht ersteigern, dafür aber kam er in Kontakt mit einem Großsachsener Sammler, der ihn in seine Sammlung schauen ließ. Als Mitarbeiter im Arbeitskreis „Juden in Lützelsachsen” wurde Herrmann der Bezug einer Postkarte zum einstigen jüdischen Leben schnell klar. Mit der Genehmigung des Sammlers verfügen nun Stadtarchiv Weinheim und das Zeitungsarchiv der WN über eine Reproduktion dieser Postkarte.

Heinz Keller, veröffentlicht in den "Weinheimer Nachrichten" vom 16.05.2008

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