Weinheims letzte Synagoge
Ein Erinnerungsgang durch das 1938 zerstörte Gotteshaus
Die letzte Synagoge stand an der Ostseite der Bürgermeister-Ehret-Straße. Der Frankfurter Architekt Max Seckbach plante sie, der Weinheimer Baumeister Friedrich Reiboldt führte Erd- und Maurerarbeiten aus. Achtzehn Steinstufen führten von der Straße zum Hauptportal mit der steinernen Gebetstafel und dem großen runden Bleiglasfenster hinauf.
Durch das Portal erreichte man eine Vorhalle und danach die eigentliche Synagoge für die Männer, die nach babylonischem Talmud getrennt von den Frauen den Gottesdienst feierten und ihrem Alter nach die Plätze im Betsaal einnahmen.Auf beiden Seiten der Vorhalle führten Treppen zu drei Frauen-Emporen und zu den Bänken für den Synagogenchor. Die Frauen saßen nach ihrem Hochzeitsdatum. Ein Haupteingang und zwei Seiteneingänge führten zum Vorlesepult, fünf breite Stufen aus weißem Marmor zum Prunkstück der Synagoge, dem Thoraschrein mit einer Zweiflügeltür aus massivem Eichenholz. Hinter einem Samtvorhang mit Goldstickerei - weiß für die hohen Feiertage, blau für die drei Wallfahrtsfeste, weinrot und dunkelgrün für die Sabbattage - wurden im heiligen Schrank die Thorarollen aufbewahrt, aus denen an Sabbat und in den beiden Wochen-Gottesdiensten vorgelesen wurde. Über dem Vorlesepult hing das ewige Licht. Links vom Thoraschrein stand ein neunarmiger Kerzenleuchter, der zur Feier des Chanukkafestes benutzt wurde. Rechts vom Vorlesepult war an der Wand eine Tafel mit den Namen der fünf im Ersten Weltkrieg gefallenen Kriegsteilnehmer angebracht.Alle Bronzearbeiten, darunter auch der Leuchter zum Gedenken an Sigmund Hirsch und die Kandelaber zur Beleuchtung der Synagoge, waren Arbeiten des international bekannten Künstlers Elkahn, der auch die Leuchter in der Westminster und die große Menora vor der Knesset in Jerusalem geschaffen hat. Neuislamische Elemente prägten das Äussere und Innere der Synagoge. Im Inneren waren die reich geschmückten Säulen und Bogen nach dem Vorbild der Alhambra in Granada gestaltet. Die flach gewölbte, runde Decke zeigte den traditionellen blauen, mit Sternen übersäten Himmel. Den Höhepunkt des Gebäudes bildete ein Dom, bedeckt von einer sechsseitigen Kuppel und gekrönt von einem Davidstern. Die Beschreibung der Synagoge und ihrer Ausstattung verdanken wir Ernst Braun und Dr. Friedrich Maier, die in den angesehenen Weinheimer Familien Marx Maier und Adolf Braun aufgewachsen sind und mit ihnen die Heimatstadt verlassen mussten. Für sie war der maurische Stil der Synagoge ein Hinweis darauf, dass die jüdische Gemeinde Weinheim von Maranen in Spanien abstammt.
Verfasser: Heinz Keller,
erschienen in: "Weinheimer Nachrichten" vom 02.08.2006