Trotz der in Folge der Nürnberger Gesetze und Novemberpogrome stattgefundenen Repressalien wurde die Warnung des Wanderpredigers Richard Ney Anni Irma Ney, der unter Lebensgefahr seinen Schwiegervater (Heinrich Liebmann) in Weinheim von der bevorstehenden Aktion in Kenntnis setzte, nicht ernst genug genommen.
"Als englischer Wanderlehrer für die jüdischen Landgemeinden Württembergs kam zufällig zu meiner Kenntnis, daß im Oktober 1940 alle Juden in Elsaß-Lothringen und der Pfalz in das Lager Gurs abtransportiert wurden. Ich war mir darüber im klaren, daß innerhalb derselben Reichsstatthalterschaft nicht mit zweierlei Maß gemessen würde und daß den badischen Juden dasselbe Schicksal bevorstünde. Ich traute mich nicht einmal, dies meinem Schwiegervater Heinrich Liebmann telefonisch mitzuteilen, sondern fuhr noch spät abends unter Mißachtung des für Juden geltenden 10-Uhr-Zapfenstreichs bis Heidelberg und von dort mit dem letzten Autobus, der nur bis Schriesheim fuhr, ging zu Fuß weiter durch die kalte Herbstnacht, die Treppen nach Lützelsachsen hinauf. Hoch stand der Vollmond abseits des Lützelsachsener Torturms. Um Mitternacht läutete ich die Glocke zu meines Schwiegervaters Haus. Herr Jacob sah zum Fenster heraus. Er war sehr anständig und zeigte mich nicht an. Ich drang in Herrn Liebmann Heinrich Liebmann, zu uns nach Stuttgart zu kommen, da bestimmt etwas passiere. Er ließ sich nicht bewegen. Seine Nachbarn und Freunde hätten ihm am gleichen Tag gesagt: "Heiner, Du brauchst keine Angst haben. Dir darf nichts passieren. Wenn die Kerle kommen, wir nehmen dich in Schutz. Ich sagte ihm, daß seine Freunde gegen die Gestapo nichts machen könnten, aber er ließ sich nicht überzeugen."
Erschienen in Weinheimer Geschichtsblatt 38, Die Geschichte der Stadt Weinheim zwischen 1933 und 1945; aus: Stadtverwaltung Weinheim, Aktenzeichen 370/7 II.