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In Hemsbach kannte man die Familie Günzburger

STADTGESCHICHTE: Heinz Günzburger lebte an der Bergstraße und verließ noch vor der Reichspogromnacht das Land

Seit zwei Jahren bemüht sich eine Artikelserie der Weinheimer Nachrichten darum, den ehemaligen jüdischen Mitbürgern ein Gesicht zu geben. Das ist ein ehrgeiziges Unterfangen, das nur mit Unterstützung von Archivaren, mit den Erinnerungen von Zeitzeugen und mit Hinweisen auf familiäre Verbindungen zu bewältigen ist. Gerade diese persönlichen Erinnerungen und die Hinweise auf frühere Veröffentlichungen tragen dazu bei, das Bild der einstmals blühenden jüdischen Gemeinschaft sichtbar und lebendig zu machen.

Kürzlich veröffentlichten wir ein Gruppenfoto aus dem Jahre 1934, das uns Margot Seewi zur Verfügung gestellt hatte. Auf ihm war auch ein Junge namens Heinz Günzburger abgebildet, an den sich Frau Seewi nicht erinnern konnte. Mit dem Namen Günzburger aber konnte Edwin H. Höhn, der Herausgeber des Hemsbacher Stadt-Anzeiger, sehr wohl etwas anfangen.

Anlässlich der Übergabe der ehemaligen Synagoge als Begegnungsstätte im Gedenken an die ehemaligen Hemsbacher Juden erschienen um den 14. September 1987 in der „Dorfheimat”, der Heimatbeilage zum Hemsbacher Stadt-Anzeiger, mehrere Beiträge über die Synagoge und das jüdische Gemeindeleben in Hemsbach, auf die wir uns stützen dürfen. In diesem Rahmen wurde auch an die jüdischen Familien Hemsbachs erinnert und an erster Stelle der Dokumentation stand die Familie Ernst Günzburger. Aus ihr stammte der 1921 geborene Heinz Günzburger, der 1934 wohl deshalb mit der Weinheimer Jugendgruppe fotografiert wurde, weil er sich in der Weinheimer Gemeinde und bei Religionslehrer Siegbert Silbermann auf seine Bar Mitzwah, das Fest seiner Religionsmündigkeit, vorbereitete und weil er als Sohn begüterter Eltern wohl auch das Weinheimer Gymnasium besuchte.

Heinz Günzburger war der Enkel von Moses Pfälzer (1857-1927), der seit 1906 in der Rückgasse eine Zigarrenfabrik betrieb, die schon beim Start 30 Mitarbeiter beschäftigte. Um 1920 übernahmen Theodor Pfälzer, der Sohn des Gründers, und Schwiegersohn Ernst Günzburger die Tabakfabrik und machten sie 1928 mit dem Erwerb der benachbarten Zigarrenfabrik Sternheimer-Brettheimer zum bedeutendsten Unternehmen in Hemsbach, nun mit über 130, hauptsächlich weiblichen Mitarbeitern. Am 1. März 1938 verkauften Pfälzer und Günzburger die Firma M. Pfälzer & Co. an den Leverkusener Tabakfachmann Lorenz Freiburg, der das Unternehmen noch bis 1964 weiterführte.

Die Günzburger-Villa besteht noch heute an der Pumpwerkstraße. In ihr lebten der Emmendinger Fabrikant Ernst Günzburger (1885-1952) und seine Frau Hilda Pfälzer (1891-1948). 1914 wurde die Tochter Lotte geboren, 1921 der Sohn Heinz. Aus Sorge über die zunehmenden Ausschreitungen gegen die jüdische Bevölkerung schickten die Eltern ihre Tochter 1936 nach Palästina. Sie heiratete den aus Bayern stammenden englischen Staatsangehörigen Arnold Lehmann, arbeitete bis 1947 in Tel Aviv als Krankenschwester und Hebamme und wanderte dann mit ihrer Familie in die USA aus.

Heinz Günzburger verließ Deutschland 1938 und lebte fortan bei Verwandten in Chicago. Hier traf er auch seine Eltern wieder, die nach dem Verkauf der Tabakfabrik alle Vorbereitungen für die Ausreise getroffen hatten. Am Tag nach der Reichspogromnacht wollten sie ihre Visa beim Amerikanischen Konsulat in Stuttgart abholen. Dabei griff sie der lange Arm der Häscher. Ernst Günzburger wurde, wie alle jüdischen Männer in Weinheim und Hemsbach, nach Dachau verbracht, kam aber dank der bereits erteilten Ausreisevisa und der Bemühungen seiner Frau bald frei. Die Günzburgers kehrten gar nicht mehr nach Hemsbach zurück, sondern wählten den direkten Weg nach Holland und weiter nach Chicago. In New Jersey kauften sie später eine Hühnerfarm, die von Tochter Lotte nach dem Tod der Eltern weitergeführt wurde. Heinz Günzburger betrieb im gleichen US-Staat eine Fabrik für Küchenmöbel.

Heinz Keller, veröffentlicht in den "Weinheimer Nachrichten" vom 20.11.2007

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