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Im Elsass oder in der Provence liegt sein Grab

Als Karl Heinz Klausmann starb, war er gerade 23 Jahre alt / Widerstandsgruppe hat den Todestag auf 7. Mai 1945 festgelegt

Wahrscheinlich ist das kurze Leben von Karl Heinz Klausmann am 7. Mai 1945 zu Ende gegangen: einen Tag nach seinem 23. Geburtstag, aber auch einen Tag vor der deutschen Kapitulation und rund sechs Wochen nach dem Einmarsch der Amerikaner in Schriesheim, wo er seine Jugend verbrachte, und in Weinheim, wo er drei Jahre lang lebte bis zu seiner Flucht am 4. Mai 1942.

In den drei Jahren seit der Entscheidung, sich der drohenden "Evakuierung" zu entziehen, hat der junge Mann, der als getaufter Christ aufgewachsen war und nicht als Jude in einem Vernichtungslager sterben wollte, die Ängste einer sicherlich oft abenteuerlichen Flucht ohne Ausweispapiere überwunden, die täglichen Gefahren des Untergrundkampfes bestanden, Verhöre und Folterungen im Gestapo-Gefängnis überlebt, aber auch die Genugtuung erfahren, einem meist übermächtigen Gegner hier und da entwischt zu sein. Klausmanns Todesdatum ist im Namensverzeichnis der Widerstandskämpfer des "Maquis des Chauffailles" (Maquis = Widerstandsgruppe, Chauffailles wohl nach ihrem Gründungsort) auf den 7. Mai 1945 festgelegt.

Das hat Professor Maier im Herbst 2004 bei seinen Gesprächen mit französischen Widerstandskämpfern erfahren.

Der Mitautor des Klausmann-Erinnerungsbeitrags im Schriesheimer Jahrbuch 2002 wollte sich nicht damit abfinden, dass Klausmann am 20. Mai 1944 auf der Flucht erschossen wurde, wie der Kommandeur der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes in Lyon am 16. Juni 1944 dem Mannheimer Oberstaatsanwalt mitgeteilt hatte.

Die Gespräche im einstigen Résistance-Gebiet Südfrankreich bestätigten Maier, dass Karl Heinz Klausmann nach dem ominösen 20. Mai 1944 noch lebte. Im September 1943 war er im südwestlichen Burgund an den heftigen Kämpfen der Widerstandsgruppen gegen die Deutschen beteiligt, gehörte ab November dem "Maquis de Chauffailles" an und trug den Decknamen "Charlot". Klausmann war auch dabei, als 1500 deutsche Soldaten in der Nacht vom 2. auf 3. Mai 1944 bei Thel im Departement Rhone ein Hüttenlager der Gruppe umstellten und 16 der 38 Widerstandskämpfer töteten. Klausmann wurde verhaftet, im Fort Montluc, dem berüchtigten Gestapo-Gefängnis in Lyon, gefoltert und gezwungen, die Sicherheitspolizei zu anderen Widerstandsgruppen zu führen. Dabei benutzten die Deutschen die erbeuteten kleinen Lastwagen der Widerstandsgruppen und setzten Klausmann auf den Beifahrersitz. In den Dörfern der Bresse kannte man die Wagen und auch "Charlot", so dass die Bewohner oft zu spät bemerkten, dass Deutsche hinter Klausmann saßen. Hatten sie ihm zugewinkt, büßten sie ihre Sympathie für die Résistance mit dem Verlust ihrer Höfe, die niedergebrannt wurden.

Der Irrsinn des Krieges hat das Schicksal von Karl Heinz Klausmann geprägt und vollendet. Die Deutschen versuchten ihn umzudrehen und zum Verrat anzustiften: sie ließen ihn unter der Bedingung frei, dass er ihnen die Führer der Widerstandsgruppe ans Messer liefert. Die Franzosen stießen ihn zurück, als er zu ihnen zurückkehren wollte, und dachten sogar daran, den vermeintlichen Verräter zu erschießen. Die ausgeschlagenen Zähne und die Zeichen der Folter am Körper überzeugten Claude Rochat (Tarnname "Guillaume"), den Gründer und Organisator verschiedener Gruppen der Résistance im südlichen Burgund, von der Ernsthaftigkeit der Rückkehr "Charlots" zum "Maquis de Chauffailles", der nach den alliierten Erfolgen in Südfrankreich im September 1944 in die neu aufgebaute französische Armee überführt wurde.

Ob Klausmann als Deutscher in der französischen Armee kämpfen durfte oder ob er zur Fremdenlegion ging, wie er seinen Kameraden wohl angedeutet hat, kann nicht mehr rekonstruiert werden. Die Fremdenlegion kämpfte an der Seite der 1. französischen Armee Ende 1944 und Anfang 1945 im Elsass und in Südwestdeutschland. Sie hatte hohe Verluste und unter diesen Opfern könnte Klausmann gewesen sein. Sein früherer Kommandeur Claude Rochat erzählte Professor Maier: "Ich habe Charlot auf einem Bauernhof untergebracht. Er kehrte zum Widerstand zurück und verpflichtete sich bei der Befreiung bei der 1. Armee und wurde im Laufe des Feldzugs gegen Deutschland getötet".

Nach anderen Aussagen kämpfte Klausmann mit den Franzosen an der italienischen Front und wurde wenige Tage vor Kriegsende im Departement Haute-Provence nahe der italienischen Grenze gesehen. Er sei, so wurde Professor Maier berichtet, am 7. Mai 1945 gefallen und im Kampfgebiet bestattet worden.

Robert Trouillet, ein Kamerad aus den Tagen der Résistance, hat im September 2004 einen Nachruf auf Karl Heinz Klausmann geschrieben: "Eine Sache ist sicher: Nachdem Karl Heinz Klausmann aus seinem Vaterland geflohen war, hat er nicht gezögert, den Nationalsozialismus zu bekämpfen. Er hat seine ganze Kraft eingesetzt vor allem in der Résistance, zuerst für die Befreiung Frankreichs und damit in der Konsequenz auch für die Befreiung seines Heimatlandes vom Joch der Naziherrschaft".

Es ist schon ein außergewöhnliches Schicksal, an das der Stolperstein am Ende des Mühlwegs erinnert.

Heinz Keller, erschienen in den "Weinheimer Nachrichten" vom 05.10.2007

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