Suche

Suchen in:



  Hilfe

 

  •  

Hugo Rothschild [P erinnert sich:

"An allen jüdischen Geschäften wurde Schaden angerichtet, bei mir wurden außen am Geschäft die 4 modernen Schaukästen, die Scheiben eingeschlagen; zum Glück hatte ich für die Außenfront des Geschäftes eiserne, moderne Rolläden, die alle Außenschaufenster bedeckten. Der Verlust wurde von den Versicherungen wegen 'höherer Gewalt' nicht bezahlt.

Am 9. November 1938 abends nach Geschäftsschluß versuchten 2 Parteimitglieder 1000,- RM von mir zu erpressen. Am 10. November 1938 morgens ungefähr 7.15 Uhr kamen 2 Männer (wahrscheinlich ein hohes Parteimitglied und ein Polizist), durchsuchten im Geschäft meinen Kassenschrank, da dieselben nicht viel Geld finden konnten, nahmen sie meine Kriegsauszeichnung und meinen Revolver, für letzteres hatte ich eine Genehmigung vom Bezirksamt Weinheim. Dann durchsuchten diese Herren meine Privatwohnung scheinbar nach Geld. Ungefähr um 8 Uhr morgens wurde ich von diesen Herren nach dem Rathaus gebracht mit der Bemerkung, ich hätte nur etwas zu unterschreiben und könnte dann wieder nach Hause gehen. Dies war alles Schwindel. Im Rathaus angekommen, waren in diesem Keller schon verschiedene Weinheimer Glaubensgenossen.

Nach 2-3 Stunden kam ein offenes Polizei-Auto, wo alle verhafteten Juden unter Polizeiaufsicht einsteigen mußten, das uns zuerst nach der zerstörten Weinheimer Synagoge brachte und dann nach dem Gefängnis nach Mannheim, wo schon viele Mannheimer Juden sich befanden. Unser Polizei-Auto wurde von Söhnen sogenannter "erstklassigen" Weinheimer Familien noch extra begleitet, daß ja niemand von uns vielleicht verschwinden konnte.

In meiner Gefängniszelle waren noch 2 Mannheimer Juden. Nach ungefähr 2 Stunden bekam jeder von uns durch ein Loch ein kleines Kommißbrot und ein Teller Suppe zugeschoben. Bei Dunkelheit abends mußten wir unter strenger Polizei-Aufsicht nach dem Mannheimer Hauptbahnhof marschieren, wo bereits der Personenzug dastand, der uns unter schwerer polizeilicher Bewachung über Nacht zum KZ - Lager Dachau bringen sollte. Morgens in München angekommen, wurden wir in Güterwaggons umgeladen, dieser Zug brachte uns nach Dachau. Diese Waggons waren absichtlich mit Juden so vollgeproppt, daß man kaum atmen konnte. In Dachau angekommen, wurden wir mit unglaublichen Schreien und Geheulen von scheinbar speziell trainierten jungen SS - Leuten empfangen und wer nicht schnell genug von dem hohen Waggon-Ausgang herunterhüpfen konnte, hatte nichts zu lachen.

In Dachau selbst mußten wir lange, lange Zeit im Freien stehen, erst abends wurden vielleicht 100 oder mehr Juden in eine Stube eingeengt, ohne Wasser und ohne Brot den ganzen Tag. Zum Glück habe ich mein Brot vom Mannheimer Gefängnis noch mitgenommen.

Am nächsten Tage kamen wir alle unter eiskalte Duschen, wurden uns dann überall die Haare abgeschnitten, bekamen Pyjamas (blau/weiss gestreift) mit Nummern zum Annähen, vorher mußten wir alle Kleider, Uhren etc. abgeben, dann wurden wir mit extra großen gebogenen Nasen photographiert und mußten später diese Bilder mit unseren Namen unterschreiben. [...]

Meine l. Frau machte ein Entlassungs-Gesuch an höchster Stelle in Karlsruhe und darauf wurde ich später nach einigen Wochen, da ich Frontsoldat war und im 1. Weltkriege meine Brüder gefallen waren und ich überall einen guten Namen in Weinheim hatte, entlassen.

Die Behandlung und sonstige Vorkommnisse in Dachau möchte ich hier nicht erwähnen.

Vor meiner Verhaftung in Weinheim wurde in mein Geschäft von der NSDAP ein Geschäftsabwickler eingesetzt, Inventur unter billigen Preisen gemacht und die Waren verkauft; Gehälter, Miete, Erpressungsgelder bis zum 31. Dezember 1938, alle Spesen sowie Geschäftsabwickler etc. mußten von mir bezahlt werden. Ich habe alles bezahlt, um evtl. nicht noch einmal verhaftet zu werden."

Veröffentlicht Weinheimer Geschichtsblatt Nr. 38; aus: Stadtverwaltung Weinheim Aktenzeichen 370/4 (Stehende Registratur 2283)

Zurück zur DokumenteübersichtZurück zum Seitenanfang