Erinnerungen: Ada Heckroth an der Seite eines großen Bühnen- und Filmausstatters
„Stahlasche in einem samtenen Aschenbecher”
Marx Maier und seine aus dem Hause Rothschild stammende Frau Bertha freuten sich nach der ihnen listig abgetrotzten Heirat ihrer Tochter Ada mit Hein Heckroth natürlich über die guten Nachrichten aus der jungen Ehe: Heckroths Berufung als Bühnenbildner nach Münster, dann nach Essen, den Lehrauftrag an der Folkwangschule, die Bekanntschaft mit Bert Brecht, die Freundschaft mit Leopold von Kalkreuth, einem der bekanntesten Vertreter der Weimarer Malerschule, und mit Oskar Schlemmer, dem Bauhaus-Meister. 1926 war das Glück der Heckroths und der Maiers perfekt: Renate, genannt Nandi, wurde geboren.
Das Jahr 1932 krönte mit der Berufung als Professor für Bühnenbild an die Akademie der Bildenden Künste in Dresden Heckroths bisherige Karriere, aber sie stellte den mit den ersten internationalen Preisen ausgezeichneten Opern- und Ballettausstatter zugleich vor die schwierigste und wichtigste Entscheidung seines Lebens: die inzwischen an die Macht gekommenen Nationalsozialisten verlangten, dass er sich von seiner jüdischen Frau trennt. Heckroth verzichtete auf die Professur, wurde mit Mal- und Lehrverbot belegt und folgte seiner Frau Ada, die sofort nach dem 30. Januar 1933 nach Paris gereist war.
In ihrem „Nachruf auf Ada Heckroth” hat Marianne Kröger 1995 im „Schwarzen Faden”, einer anarchistischen „Vierteljahresschrift für Lust und Freiheit”, auch die Pariser Zeit der Heckroths geschildert. Ada wohnte eine Zeitlang bei dem Schriftsteller und Kunsttheoretiker Carl Einstein, einem Cousin Albert Einsteins, und dessen Frau Lyda Guevrékian.
Exil in Paris nach der Weltwirtschaftskrise – das bedeutete auch, kaum Geld für das Nötigste zu haben. Ada Heckroth erzählte Marianne Kröger 60 Jahre später, dass die beiden Frauen sich um das materielle Wohl der Fünfergruppe kümmerten. Lyda Einstein nähte als gelernte Schneiderin Blusen, die Ada Heckroth für 10 Francs verkaufen ging. Davon hielten sie sich alle über Wasser, bis Ada Heckroth von einer Verwandten etwas Geld zugeschickt bekam, von dem der fünfköpfige Haushalt schließlich lebte.
Das Angebot zur Ausstattung einer Oper von Kurt Weill führte die Heckroths 1935 nach England. London, Dartington und Cambridge wurden die Stationen ihres Exilaufenthaltes. Hein Heckroth unterrichtete an der nach neuen reformpädagogischen Maßstäben arbeitenden Kunstschule der vermögenden Amerikanerin Dorothy Elmhirst in Dartington Hall (South Devon), Ada arbeitete als Modezeichnerin für die Zeitschrift „Vogue”. Als Deutscher wurde Heckroth 1940 von den Engländern interniert und in ein Lager nach Australien gebracht, konnte aber auf Intervention des britische Kunsthistorikers Herbert Read nach England zurückkehren.
Mit den Kostümen für „Cäsar und Kleopatra” gelang Heckroth 1944 der Einstieg ins Filmgeschäft. 1946 entstanden die ersten Skizzen für den Ballettfilm „Die roten Schuhe” mit Moira Shearer und Anton Walbrook, der 1948 bei der Oscar-Verleihung in den Kategorien Bestes Szenenbild und Beste Filmmusik ausgezeichnet wurde. Die farbenprächtige Ausstattung stammte von Hein Heckroth, der dann 1950/51 an den Filmentwürfen für „Hoffmanns Erzählungen” arbeitete und dafür zwei Oscar-Nominierungen erhielt. In Zusammenarbeit mit seiner Tochter Nandi entstanden in den ersten Nachkriegsjahren weitere Filmentwürfe.
Im Februar 1956 kehrten die Heckroths nach Deutschland zurück: weil Hein Heckroth es so wollte und weil er als Ausstattungsleiter an die Städtischen Bühnen in Frankfurt berufen worden war. Bis zu seinem Tod 1970 arbeitete Heckroth für zahlreiche deutsche und ausländische Filmproduktionen, darunter „Die Dreigroschenoper” von Wolfgang Staudte, für Fernsehinszenierungen (Strawinskys „Geschich-te vom Soldaten”), für Gustav Gründgens’ „Orpheus und Euridike” an der Mailänder Scala, für führende deutsche Bühnen, an Buchillustrationen und natürlich an den Aquarellen und Zeichnungen, mit denen er große Ausstellungen beschickte.
Die Remigration fiel Ada Heckroth nicht leicht. Sie kehrte ihrem Mann zuliebe nach Deutschland zurück, doch wiedereingelebt und wohlgefühlt hat sie sich nie mehr in diesem Land. „Ich krieg’s nicht fertig, Zutrauen zu den Deutschen zu kriegen. Ich bin keine Deutsche mehr und ich will auch keine mehr werden”, sagte die Frau mit dem britischen Pass ihrer Interviewpartnerin Marianne Kröger. Nach dem frühen Tod ihres Mannes musste Ada Heckroth 1972 auch den tragischen Unfalltod ihrer Tochter Nandi verkraften.
1991 wurde in Frankfurt die Ausstellung „Vom Expressionismus zum Widerstand – Kunst in Deutschland 1909-1936” gezeigt. Eines der Gemälde stammte von Hein Heckroth. Es trug den Titel „Ada” und war etwa 1925 entstanden. Deutlich angelehnt an die kubistische Malerei zeigte es eine weibliche Gestalt in gelb mit rotem Rock und langen Haaren – und in der rechten unteren Ecke ein träumendes männliches Gesicht.
Ada Heckroth liebte dieses Bild wie das „portrait littéraire” von Paul Eluard, einem der bekanntesten Dichter des Surrealismus, das er ihr einst gewidmet und in dem er sie als „Stahlasche in einem samtenen Aschenbecher” charakterisiert hatte.
Frieda Diana Maier, verheiratete Heckroth und Ada genannt, starb am 28. September 1994 im Alter von 92 Jahren.
Heinz Keller, veröffentlicht in den "Weinheimer Nachrichten" vom 04.01.2008