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Die Oppenheimer kamen aus Birkenau

JUDEN IN WEINHEIM: Im ersten Weinheimer Adressbuch von 1882 taucht erstmals ihr Name auf

Rund 1100 Grabsteine stehen auf dem jüdischen Verbandsfriedhof am Mühlweg in Hemsbach, dessen älteste Gräber aus dem 17. Jahrhundert stammen und auf dem bis zur nationalsozialistischen Zeit jüdische Bürger aus den Bergstraßengemeinden zwischen Laudenbach und Dossenheim, aus Ladenburg, Viernheim und Lampertheim bestattet wurden. In einer verdienstvollen Dokumentation hat die Heidelberger

Judaistikerin Renata Fischer-Hoffmann 1992 die Grabstein-Inschriften dokumentiert, ehe sich die Zerstörung des Sandsteins fortsetzt und die Lebensdaten der Toten unleserlich macht. Zwei Familiennamen tauchen besonders oft auf in der Liste der in Hemsbach bestatteten Juden: Pfälzer und Oppenheimer.

Mit dem bedeutendsten Nachkommen der in Hemsbach beheimateten Familie Pfälzer, dem Weinheimer Rechtsanwalt, Stadtverordneten und Vorsitzenden der israelitischen Gemeinde, Dr. Moritz Pfälzer (1869-1936), werden wir uns in einem der nächsten Beiträge beschäftigen. Auch die meisten Oppenheimer stammten wohl aus Hemsbach, wenngleich man annehmen darf, dass auch Oppenheimer aus Birkenau hier ihre letzte Ruhestätte gefunden haben. Denn ehe die Birkenauer

Juden 1717 ihren Friedhof am Kurzenberg anlegten, brachten sie ihre Toten ebenfalls zur Hemsbacher Begräbnisstätte. Aus Birkenau, im Kreis Bergstraße einst die Gemeinde mit dem nach Rimbach (13,5 Prozent) zweithöchsten Judenanteil (7,8 %) an der Einwohnerzahl, stammten auch die ersten Weinheimer Oppenheimer. Seit Generationen waren sie Teil der Birkenauer Judenschaft gewesen, die nach einer Aufstellung von 1721 hauptsächlich als Viehhändler, Schlachter und Krämer tätig war (W. Gebhard: "Geschichte der Birkenauer Juden"). Am Ende des 19. Jahrhunderts scheinen auch Birkenauer Oppenheimer, wie

andere jüdische Familien, den Weg in die nahen Industriestädte gesucht zu haben. In den ersten Wählerverzeichnissen, die auch die israelitische Gemeinde

Weinheim zur Wahl ihrer Synagogenräte ab 1833 anlegen musste, fehlt der Name Oppenheimer noch neben den alten jüdischen Familiennamen Altstädter, Rosenfeld, Rothschild und Ullmann. Erst im ersten Adressbuch der Stadt, das 1882 erschien, wird ein im Großviertel, wahrscheinlich an der Lindenstraße, wohnender Händler Julius Oppenheimer erwähnt. Er stammte aus der Birkenauer Großfamilie Oppenheimer und war, nach dem Birkenauer Judenbuch, eines der 14 Kinder von Lazarus und Bräule Oppenheimer. Lazarus Oppenheimer (1765-1862) galt nach der Liste des Großherzoglich Hessischen Steuerkommissars von 1842 als der die höchsten Steuern zahlende, damit wohl auch reichste Jude Birkenaus. Er wurde nach dem Tod von Vorsteher Anschel Darmstädter in den Vorstand der israelitischen Religionsgemeinde Birkenau gewählt. Lazarus Oppenheimer

starb 1862 im Alter von 97 Jahren und wurde auf dem Birkenauer Judenfriedhof begraben. Lazarus" Sohn Julius, 1828 geboren, bekleidete das Birkenauer Vorsteheramt in drei Amtszeiten zwischen 1861 und 1872. Wann [P1284:Julius

Oppenheimer] nach Weinheim übersiedelte, ist nicht genau bekannt, doch im ersten Weinheimer Adressbuch von 1882 stehen sein Name und die Berufsbezeichnung Handelsmann. 1904 erscheint er erstmals als Privatier, aber da war er auch schon 76 Jahre alt. In der israelitischen Gemeinde Weinheim gehörte Julius Oppenheimer zu den wichtigen Mitgliedern und war, wie sein Bruder Samuel und sein Neffe Louis, ein eifriger Förderer des Synagogen-Neubaues. Julius Oppenheimer war dreimal verheiratet. Seine erste Frau Sara, geborene Gumbel, starb 1863, sechs Jahre nach der Hochzeit und ein Jahr nach der Geburt ihres dritten Kindes. Sie wurde nur 32 Jahre alt. Julius" zweite Ehefrau Hannchen war ebenfalls eine geborene Gumbel und wahrscheinlich die Schwester von Sara. Bei der Hochzeit war sie 18 Jahre alt. Aus dieser Ehe stammte Sohn Lazarus. Hannchen Oppenheimer starb 1867 und wurde nur 21 Jahre alt. 1868 heiratete Julius Oppenheimer dann Gustine Bendheim. Mit ihr hatte er vier Kinder und mit der jüngsten Tochter Frieda, 1885 geboren, lebten Julius und Gustine Oppenheimer in Weinheim, bis 1907 in der Lindenstraße und danach in der

Grundelbachstrasse, gegenüber dem Städtischen Krankenhaus. Gustine Oppenheimer wurde 69 Jahre alt, Julius Oppenheimer starb 1924 kurz nach seinem 96. Geburtstag. Ihr Doppelgrabstein ist bis heute im jüdischen Friedhof in Hemsbach erhalten. Julius Oppenheimer hatte einen jüngeren Bruder Samuel, 1841 in Birkenau geboren und Pferdehändler von Beruf. Samuel Oppenheimer war mit Helene Löwensberg verheiratet. Das Paar hatte vier Kinder: Louis und Max wurden Weinheimer Bürger, von Arthur und Hedwig Oppenheimer sind in Weinheim keine weiteren Daten bekannt. Samuel Oppenheimer wird erstmals 1899 im Weinheimer Adressbuch genannt, damals schon als Privatmann. Helene Oppenheimer wurde nur 57 Jahre alt, Samuel Oppenheimer 65 Jahre. Das Ehepaar ruht auf dem Hemsbacher Friedhof.

Mit ihren Söhnen Louis und Max beschäftigt sich der nächste Beitrag.

Heinz Keller, erschienen in den "Weinheimer Nachrichten" vom 22.08.2006

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