Seite dem 30jährigen Krieg:
Die Altstädters ware eine eingesessene Familie
Hans Altstädter, Jahrgang 1902, ist einer der vier ehemaligen jüdischen Bürger, die uns auf Vermittlung von Stadträtin Lilly Pfrang ihre Erinnerungen an die Heimatstadt und an die Weinheimer Synagoge zur Verfügung gestellt haben. Die Familie Altstädter lebte seit dem Ende des 30jährigen Krieges in Weinheim. 1856 wurde die Firma Gebrüder Altstädter ins Handelsregister eingetragen. 1890 trennten sich die Brüder: Marx, Jakob und Lazarus schieden aus. Nathan Altstädter übernahm als alleiniger Inhaber die Firma, die 1891 auf das Gelände der ehemaligen Seitz'schen Mühle am Suezkanalweg übersiedelte. Dort wurde eine Reinigungs- und Sortieranlage für land- und forstwirtschaftliche Erzeugnisse eingerichtet, eine Schrot- und Mehlanlage, schließlich eine Trockenanlage. Durch die Verschiebung der Marktverhältnisse war der Umsatz im Futtermittelgeschäft sehr bescheiden geworden.
Im I. Weltkrieg wurden hauptsächlich Obst und Gemüse getrocknet. Nach dem Krieg wurde die Fabrikation von Zwiebel- und Knoblauchpulver aufgenommen. Die Erzeugnisse gingen überwiegend in die USA. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten mußte die Firma ihre Arbeit einstellen.
Nathan und Flora Altstädter wohnten mit vier Kindern im Haus Hauptstraße 50, das seit Generationen im Familienbesitz war und 1913 nach den Plänen des Weinheimer Architekten Lippert vollig umgebaut wurde. Sohn Hans studierte Maschinenbau in Konstanz, Walter arbeitete nach dem Jurastudium als Gerichtsreferendar am Weinheimer Amtsgericht und Paul in einem Karlsruher Warenhaus. 1934 mußten die Brüder die Heimat verlassen und suchten in Palästina eine neue Zukunft: Paul baute eine Schälmühle für Reis und Gerstengraupen auf, Walter einen landwirtschaftlichen Betrieb mit über 60 Milchkühen, den er mit seiner Frau ohne weitere Mitarbeiter bearbeitete. Hans wurde nach vielen Anfangsschwierigkeiten Betriebsingenieur bei der größten Konservenfabrik im Lande.
Schwester Grete und Schwager Hermann Sondheimer blieben in Deutschland. Sie wurden nach Osten deportiert und kehrten nie wieder zurück.
Heinz Keller, am 09.11.1988 in den Weinheimer Nachrichten veröffentlicht.