Der (Um-)Weg in den Gemeinderat
• Noch bei der Kommunalwahl 1927 hatten sich die Nationalsozialisten nicht offiziell um Mandate beworben. Ihre Kandidaten standen auf der Liste des Bürgervereins, die mit der Unterschrift des Leiters der NSDAP-Ortsgruppe Weinheim, Walter Köhler, vorgelegt wurde.
• Auf diesem Umweg zogen die Nationalsozialisten Georg von Büren und Emil Ebert in den Gemeinderat ein.
• Erst nach der Kommunalwahl 1930 gab es unter den 12 Stadträten vier Nationalsozialisten: Philipp Oswald, Wilhelm Bechtold, Friedrich Bartels und Philipp Peter Böhler.
• Mit dem Gleichschaltungsgesetz wurden im April 1933 Gemeinderat und Bürgerausschuss vorzeitig aufgelöst. Künftig sollte der Weinheimer Gemeinderat 10 Mitglieder haben, der Bürgerausschuss sollte mit 24 Stadtverordneten besetzt werden.
• Die Mandate wurden entsprechend dem Ergebnis der Parteien bei der Reichstagswahl vom 5. März 1933 vergeben. Dadurch erhielt die NSDAP sechs Sitze im Gemeinderat und 14 Sitze im Bürgerausschuss. Die KPD war zur Reichstagswahl nicht mehr zugelassen. Damit verloren Leonhard Seib und Philipp Wallendorf ihre Mandate.
• Nach dem Verbot der SPD mussten auch Heinrich Jöst und Ludwig Bohrmann den Gemeinderat, Ludwig Bäuerle, Ernst Brodkorb, Jakob Hering, Adam Sachs und Wilhelm Scheuermann den Bürgerausschuss verlassen.
• Nach der Aufhebung der Bürgerausschüsse und Gemeindeversammlungen mit dem Gesetz vom 6. März 1934 setzte die NSDAP-Fraktion die Erhöhung der Mandatszahl und die Zuordnung von Ministerpräsident Köhler und Kreisleiter Friedrich zum Gemeinderat durch.
• Im Juli 1935 nahm die Gauleitung der NSDAP die Neuberufung der 12 Ratsherren der Stadt Weinheim vor. Ihre Aufgabe bestand fortan nur noch in der „Beratung des Leiters der Gemeinde”. Unter den Neuberufenen fehlte der Zentrumspolitiker Jakob Petry. Er wurde das letzte Opfer der Gleichschaltung.
• Richard Freudenberg war nun der einzige Ratsherr, der nicht der NSDAP angehörte. Sein Verbleiben begründete Walter Köhler in seinen Erinnerungen 1977: „… da ich den Standpunkt vertrat, dass der größte Weinheimer Steuerzahler, die Firma Freudenberg, mit dabei sein sollte, wenn über die Verwendung der Steuern entschieden wird”.
Heinz Keller