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„Beschwerde der Juden darf keinen Erfolg haben”

Geschäftsleute wehrten sich gegen judenfeindliche Transparente

Auch wenn sie Kriegsteilnehmer waren, auch wenn sie mit schweren Verwundungen aus dem 1. Weltkrieg zurückgekehrt waren, durften Deutsche jüdischen Glaubens schon bald nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten nicht mehr mit dem „Dank des Vaterlandes” für ihren Kriegseinsatz rechnen. Das erfuhr auch der Schwerkriegsbeschädigte Fritz Rapp, Juniorchef im Kaufhaus Heil, als er sich, zusammen mit Wilhelm Heinsheimer, dem Inhaber des Schuhhauses Heinsheimer in der heutigen Fußgängerzone, im Sommer 1937 beim Mannheimer Landrat Dr. Ludwig Vesenbeckh über judenfeindliche Transparente beschwerte und darüber, dass vor Weinheims jüdischen Geschäften der „Stürmer” verteilt wurde, um den Sommerschlussverkauf wirkungslos zu machen.

Blanker Judenhass

Das war geschehen: Die Weinheimer SA hatte unter Führung von Obersturmführer Eugen Schmidgall in vier Metern Höhe drei 4.50 m breite Transparente über die Straßen gespannt. Am Friedrichseck war zu lesen: „Der Jude siegt mit der Lüge und stirbt mit der Wahrheit” und „Wer von dem Juden frisst, geht daran zu Grunde”. Auf dem einstigen Platz des Rodensteinerbrunnens am Einmündungsbereich der Bahnhofstraße in die Hauptstraße, stand: „Ohne Brechung der Judenherrschaft keine Erlösung des deutschen Volkes” und „Wer beim Juden kauft ist ein Volksverräter”. Bei der Eisenhandlung Jochim wurden die Argumente wiederholt.

„Längst fällig”

SA-Obersturmführer Eugen Schmidgall fand das in Ordnung: „Dass eine derartige Propaganda betrieben werden muss, geht aus dem ‚Stürmer’ hervor. In anderen Städten wurde die Aktion schon längst und in noch schärferer Weise durchgeführt”. Schmidgall, der als Sturmbannführer am 10. November 1938 die Zerstörung der Weinheimer Synagoge befehligen sollte, lehnte die Aufforderung von Oberbürgermeister und Landrat ab, die Transparente zu entfernen: „Es ist dringend erforderlich, dass eine Propaganda-Veranstaltung eingeleitet wird, da besonders aus dem Odenwald die Käufer zu den Juden gehen”.

„Wenig geschmackvoll”

Der Weinheimer SA-Führer konnte sich dabei auf ein Rundschreiben von Führer-Stellvertreter Rudolf Heß an die Gauleiter vom 29. Januar 1936, also noch vor den Olympischen Spielen in Berlin, berufen: „Unter den Schildern und Tafeln, in denen Kreise, Gemeinden, Gasthäuser usw. darauf hinweisen, dass Juden unerwünscht sind, befinden sich z.T. oft wenig geschmackvolle Darstellungen. Ich bitte, beim Anbringen solcher Schilder zu berücksichtigen, dass die in Deutschland reisenden Ausländer unsere Maßnahmen gegen die Juden aufmerksam verfolgen. Die Mehrzahl dieser Fremden begrüßen im Grunde genommen die deutschen Maßnahmen gegen das Welt-Judentum. Das deutsche Ansehen im Ausland wird daher auch nicht durch die Tatsache unserer Judengesetzgebung, wohl aber durch eine im Einzelfall übertriebene und geschmacklose Darstellung der Ankündigung geschädigt werden. Ich bitte deshalb darauf zu achten, dass nur solche Tafeln und Schilder angebracht werden, die ohne besondere Gehässigkeit zum Ausdruck bringen, dass Juden unerwünscht sind”.

Machtloser Landrat

Zwar ordnete Landrat Dr. Vesenbeckh die unverzügliche Entfernung der Transparente an, doch Schmidgall weigerte sich, die behördliche Anordnung auszuführen: „Ich habe keine Veranlassung, die Transparente zu entfernen” und: „Ich werde gegen die Anordnung des Herrn Landrats bei meiner Dienststelle Beschwerde führen”.

Unterstützung fand Schmidgall vom Propagandaleiter der NSDAP-Kreisleitung in Mannheim. Kreispropagandaleiter Fischer teilte dem Landrat fernmündlich mit, „dass die Beschwerde der Juden keinen Erfolg haben darf”. Die Transparenttexte empfand Fischer in einem nachfolgenden Schreiben als „nicht besonders gehässig”, weil sie tägliche Schlagzeilen im „Stürmer” (dem national-sozialistischen Hetzblatt. Die Red.) seien.

Auch der vom Bezirksamt Mannheim um seine Stellungnahme gebetene badische Innenminister Karl Pflaumer meinte: „Ein polizeiliches Vorgehen gegen die Weinheimer SA lediglich auf jüdische Beschwerden hin halte ich nicht für angebracht”. Schließlich wies die Kreisleitung Mannheim der NSDAP „nochmals ausdrücklich darauf hin, dass der Kampf gegen das bolschewistische Judentum mit zu den wichtigsten Aufgaben der Partei gehört”.

Ende in Auschwitz

Fritz Rapp gehörte am 22. Oktober 1940 zu den Weinheimer Juden, die nach Gurs deportiert wurden. Am 10. August 1942 wurde er, zusammen mit seiner Frau Tilly, geborene Heil, nach Auschwitz transportiert und ermordet. Das Schicksal von Wilhelm Heinsheimer [Anmerkung: für tot erklärt Lublin/Majdanek] ist unbekannt.

Heinz Keller, veröffentlicht in den "Weinheimer Nachrichten" vom 23.06.2006

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