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Abschied von Oberrat Dr. Pfälzer und Oberrat Hartog

Die Verfassungen des Reichs und des Landes vom Jahre 1919 hatten das Verhältnis von Staat und Kirche grundlegend geändert und eine Anpassung der Verfassung der Landessynagoge an die neuen Verhältnisse erfordert. Der bisher vom Landesherrn ernannte Oberrat wurde nach der vorläufigen Verfassung vom 2. Juni 1920 von der Synode gewählt. Unter den Männern, die so erstmals duch das Vertrauen der Synode in den Oberrat berufen wurden, befand sich der Vorsteher der israelitischen Gemeinde Weinheim und Abgeordnete des Bezirks Heidelberg-Land, Rechtsanwalt Dr. Moritz Pfälzer in Weinheim.

Mit ihm kam eine Persönlichkeit in den Oberrat, die für dieses Amt im wahren Sinne des Wortes berufen war. Seit dem Jahre 1909 stand Pfälzer als Vorsteher an der Spitze der israelitischen Gemeinde Weinheim. Vom Jahre 1911 an vertrat er ununterbrochen den Wahlkreis Heidelberg-Land in der Synode, in deren Tagung im Jahre 1914 er das Amt des Vizepräsidenten bekleidete. Die Synode von 1920, die ihn zum Oberrat wählte, sah ihn als Berichterstatter des Verfassungsausschusses, in dem er an dem Zustandekommen der vorläufigen Verfassung und der Verordnung zur Wahl der verfassungsgebenden Synode wesentlichen Anteil hatte. So war es nur die gegebene Folge seiner bisherigen Tätigkeit, daß ihm vom Oberrat die Ausarbeitung derjenigen Gesetze und Verordnungen übertragen wurde, die den endgültigen Ausbau der neuen Organisation der Landessynagoge zum Ziele hatten. Dieser Aufgabe hat sich Oberrat Dr. Pfälzer mit der ihm eigenen Gründlichkeit und Gewissenhaftigkeit entledigt. Er darf als der Vater der Verfassung der Landessynagoge bezeichnet werden, denn von ihm stammen die Entwürfe zu der Verfassung vom 14. Mai 1923, zur Synodalwahlordnung und zu der neuen Geschäftsordnung der Synode. Nicht minder bedeutsam waren die von ihm entworfenen drei Verordnungen vom 7. November 1921, durch die erstmals die Besoldung der Rabbiner, Religionslehrer und Kantoren einheitlich geregelt und die Hinterbliebenenversorgung auf eine gesetzlich geordnete Grundlage gestellt wurde. Den Schlußstein dieses Gesetzgebungswerkes bildete die Verfassung der israelitischen Religionsgemeinden Badens, für die Dr. Pfälzer ebenfalls den ersten Entwurf verfaßt hat.

War er zu diesen organisatorischen Arbeiten durch seine juristische Schulung und durch die reichen Erfahrungen auf dem Gebiete der Gemeindeverwaltung besonders berufen, so befähigten ihn seine gründlichen jüdischen Kenntnisse und seine tiefe religiöse Gesinnung vor allem auch zur Arbeit auf kulturellem Gebiet. Der Unterrichtsausschuß des Oberrats durfte sich lange Jahre seiner Führung erfreuen und als wichtiges Ergebnis grundlegende Vorarbeiten zu dem Lehrplan für den israelitischen Religionsunterricht verzeichnen. Die angesehene Stellung, deren sich Dr. Pfälzer im Oberrat verdientermaßen erfreute, kam dadurch zum Ausdruck, daß er von Anbeginn das Amt des stellvertretenden Vorsitzenden bekleidete.

Mit Schluß der Synode schied Dr. Pfälzer aus dem Oberrat aus, nachdem er eine Wiederwahl wegen seiner leidenden Gesundheit abgelehnt hatte. Er hinterläßt eine Lücke, die sich nur schwer schließen wird. Denn seine Mitarbeiter müssen nicht nur seine Arbeitskraft und seinen wertvollen Rat entbehren; schwerer fällt ihnen noch die Trennung von dem prächtigen Menschen, dessen gerade Gesinnung, unbestechliche Gerechtigkeit und echte Herzensgüte ihm die aufrichtige Zuneigung seiner Amtsgenossen eingetragen hatten.

Gleichzeitig mit Dr. Pfälzer schied auch Oberrat Julius Hartog aus dem Amte aus.

...

Beide Männer, die ihre beste Kraft zum Wohle unserer Landessynagoge eingesetzt haben, dürfen des Dankes des Oberrats und der ganzen Landessynagoge sicher sein. Ihr Wirken bleibt unvergessen und bildet für ihre Mitarbeiter und Nachfolger einen Ansporn, in ihrem Sinne weiter zu arbeiten zum Segen der badischen Landessynagoge.

aus: Verordnungsblatt des Oberrats der Israeliten Badens, Nr. 6, 1935

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